Geheimnis um ein Haus im Walde
wiedererkennen.
Aber wenn sie die Indizien nicht entdeckten? Ern hatte ja keine Ahnung, wo er sich befand. Vielleicht war er meilenweit von Peterswalde entfernt. Er spähte aus dem Fenster und versuchte, etwas zu erkennen. Es war schon ganz dunkel, und zuerst konnte er überhaupt nichts sehen. Doch halt! War das nicht das Postamt von Peterswalde? Ja, wirklich, der Wagen fuhr direkt durch den Ort. Ern versuchte das Fenster zu öffnen. Aber sofort drehte sich Herr Holland um. „Daß du dich nicht unterstehst, das Fenster aufzumachen und zu schreien!”
„Ich will ja gar nicht schreien.” Plötzlich hatte Ern eine glänzende Idee. „Mir ist schlecht. Wenn Sie mir nicht erlauben, das Fenster aufzumachen, werde ich den Wagen beschmutzen.”
Ärgerlich lehnte sich Herr Holland zurück und öffnete das Fenster eine Handbreit. Ern würgte und tat, als müßte er sich übergeben. Darauf ließ Herr Holland das Fenster noch ein wenig weiter herunter. „Wenn du den Wagen schmutzig machst, kriegst du eins hinter die Ohren!” drohte er.
Wieder würgte Ern. In demselben Augenblick warf er den Knopf mit dem Stoffetzen zum Fenster hinaus. Danach folgte der Zigarrenstummel, dann der Bleistift und dann das Stück Stoff. Nun flatterte das Taschentuch mit dem Buchstaben M hinaus. In kurzen Abständen folgten die restlichen Sachen.
Als seine Tasche leer war, lehnte Ern sich zufrieden zurück. Hatte er das nicht schlau angestellt? Die Indizien vom Mühlenhügel würden jetzt erstklassige Indizien dafür sein, wohin man ihn brachte. Ern hoffte, daß die Spürnasen sie finden und die richtigen Schlüsse daraus ziehen würden.
Herr Holland sah sich um. „Ist dir jetzt besser?”
„Ja, es ist vorbei.” Ern grinste im Dunkeln.
Herr Holland machte das Fenster wieder zu. Der Wagen fuhr jetzt langsam einen schmalen holperigen Weg entlang.
Die Scheinwerfer waren abgeschaltet. Kurz nach einer Wegbiegung leuchteten sie einmal hell auf und verloschen dann wieder. Der Wagen bremste. Ern hörte ein Tor quietschen. Dann fuhr der Wagen noch ein Stück weiter und blieb schließlich stehen. Plötzlich schoß er wie ein Lift senkrecht nach unten. Erschrocken drückte sich Ern in seine Ecke. Was war denn das?
„Wir sind da!” sagte Herr Holland, als der Wagen wieder still stand. „Steig aus, Dietrich Kronstein. Du wolltest ja so gern hierher. Aber du wirst bald wünschen, den Namen dieses Hauses nie gehört zu haben. Willkommen in Ludwigslust!”
Herr Grimm macht sich Sorgen
Die anderen Kinder waren sehr erstaunt, von Betti zu hören, daß Ern ihnen hatte entgegengehen wollen.
„Wir haben ihn nicht getroffen”, sagte Dicki. „Vielleicht hat er sich’s anders überlegt und ist nach Haus gegangen.”
Als Betti erzählte, was Ern in der Nacht erlebt und erlitten hatte, wurden die Gesichter der Kinder ernst. Es hatte ihnen Spaß gemacht, den einfältigen Jungen zu verulken und anzuführen. Aber daß er ihretwegen geschlagen worden war, tat ihnen leid.
„Und Wegda ist beutehungrig zum Mühlenhügel getrabt!” rief Rolf. „Wenn der wüßte, daß das ganze Geheimnis erfunden ist!”
„Wir müssen Ern und Wegda sagen, daß ich das Gedicht in das Buch geschrieben habe”, meinte Dicki ein wenig kleinlaut. „Das wird einen schönen Tanz geben. Wegda wird vor Wut schäumen.”
„Er wird sich wieder bei unseren Eltern beschweren”, klagte Flipp.
„Ern war sehr, sehr stolz auf das Gedicht”, berichtete Betti. „Er konnte es einfach nicht fassen, daß er es geschrieben hatte, und glaubte, er hätte es im Schlaf getan. Ich brachte es nicht fertig, ihm die Wahrheit zu sagen. Es hätte ihn schrecklich enttäuscht.”
„Das ist ja eine richtige Zwickmühle”, sagte Gina.
„Wenn wir Wegda beweisen wollen, daß er seinen Neffen zu Unrecht geschlagen hat, müssen wir Ern enttäuschen. Der arme Ern! Er ist zwar nicht besonders klug, aber doch ganz nett.”
„Ein Feigling ist er”, erwiderte Flipp. „Nichts kann er für sich behalten; alles verrät er. Nur gut, daß wir ihn nicht in ein richtiges Geheimnis eingeweiht hatten. Er hätte seinem Onkel alles wiedererzählt.”
„Ja, anvertrauen kann man ihm allerdings nichts”, gab Gina zu. „Trotzdem tut er mir leid. Wo mag er nur geblieben sein? Na, vielleicht ist er nach Hause gegangen.”
Aber Ern war nicht nach Hause gegangen und erschien auch nicht zum Mittagessen. Herr Grimm, der Hammelfleisch mit Klößen aufgetischt hatte, war sehr ärgerlich darüber. Dieser Lümmel! Er
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