Geheimnis um eine Tasse Tee
sie die Bücher Lucy Weiß, einem großen Mädchen mit sanften braunen Augen. Sie hatte wunderschön auf der Bühne ausgesehen. Besonders bewundert hatten die Kinder ihre üppigen blonden Locken. Jetzt aber standen diese Locken – eine Perücke – auf einem kleinen Tischchen, und Lucy entpuppte sich als ein stilles braunhaariges Mädchen mit einem recht versorgten Gesicht. Sie schrieb ihren Namen ebenfalls in die Autogrammbücher der Kinder.
Dann trat John James, ein großer stämmiger Mann, ins Zimmer. „Hallo!” rief er erstaunt. „Wollt ihr etwa Autogramme von uns haben? Welche Ehre!”
Während er seinen Namen schrieb, knüpfte Rolf ein Gespräch mit ihm an. Dicki unterhielt sich mit Peter Watting und Wilhelm Orr. Flipp sah sich um. Fehlte nicht noch jemand?
In diesem Augenblick trat ein kleiner, geckenhaft aufgeputzter Mann ein, der Dicks Mutter gespielt hatte. Er war sehr gut gewesen, fein und zart, und hatte sogar mit hoher Frauenstimme ein Liedchen gesungen.
Dicki ging auf ihn zu. „Könnten wir bitte ein Autogramm von Ihnen bekommen? Sie waren einfach wundervoll. Ich hätte schwören mögen, daß Sie eine Frau sind. Besonders Ihre Stimme fand ich fabelhaft.”
„Ja, Alex war heute ganz groß in Form”, sagte Zoe.
„Die hohen Töne kamen glasklar. Du solltest einmal hören, wenn er Lucy oder mich nachmacht! Einfach zum Verwechseln! Er müßte in London auftreten und nicht hier in diesem kleinen Nest.”
„Das möchte er wohl auch gern”, meinte John James ein wenig spöttisch. „Aber der Direktor läßt es nicht zu.”
„Sei bloß still von dem unleidlichen Kerl!” erwiderte Alex. „Hier, Kinder, fangt eure Bücher auf! Hoffentlich könnt ihr meine Unterschrift lesen!”
Damit warf er den Spürnasen die Autogrammbücher zu. Dicki öffnete seins und erblickte ein kaum leserliches Gekritzel, aus dem er nur mit Mühe den Namen Alexander Grant herauslas.
Zoe lachte. „Kein Mensch kann die Schrift von Alex entziffern. Er könnte ebensogut ,Pellkartoffeln’ oder ,Pfefferminzdrops’ an Stelle seines Namens schreiben. Ich wundere mich nur, daß deine Mutter deine Briefe lesen kann, Alex.”
„Sie kann sie gar nicht lesen. Wenn ich heimkomme, gibt sie sie mir, damit ich sie ihr vorlese. Aber ich kann sie meistens auch nicht entziffern.”
Alle lachten. Alexander Grant schlang sich einen gelben Schal um den Hals. „Na, dann bis morgen! Daß mir keiner von euch inzwischen den Direktor vergiftet!”
Eine kleine Teegesellschaft
Dicki hatte das Gefühl, daß sie nun gehen müßten. Gerade wollte er sich verabschieden, da fiel ihm ein, daß sie ja die Hauptperson noch nicht kennengelernt hatten.
„Wo ist denn die Katze?” fragte er.
„Boysie macht die Bühne sauber”, antwortete Zoe. „Aber von ihm könnt ihr kein Autogramm bekommen. Er kann gar nicht schreiben.”
„Er kann nicht schreiben?” rief Betti ganz erstaunt. „Ich dachte, er ist schon erwachsen.”
„Ja, er ist bald zwanzig, aber eigentlich noch ein reines Kind. Lesen kann er auch kaum. Doch ist er ein lieber Kerl. Ich werde ihn herholen.”
In diesem Augenblick kam Boysie in seinem Katzenfell ins Zimmer. Der Katzenkopf hing ihm wie eine riesige Kapuze auf den Rücken. Er hatte kleine, eng zusammenstehende Augen und große vorstehende Vorderzähne. Mit ängstlichem Gesicht ging er auf Zoe zu und ergriff ihre Hand. „Hilf mir, Zoe!”
„Was soll ich dir helfen?” fragte Zoe freundlich.
„Sieh hier!” Boysie drehte sich um und zeigte auf den Riß in dem Katzenfell, der inzwischen noch größer geworden war. „Und hier!” Er zeigte ihr einen zweiten Riß auf seinem Bauch. „Kannst du es nähen, Zoe?”
„Gewiß kann ich das. Bist du so dick geworden, daß dein Fell schon platzt? Ich glaube, du ißt zu viel.”
Boysie, der Zoe nur bis zur Schulter reichte, sah lächelnd zu ihr auf. Plötzlich entdeckte er die Spürnasen. „Was machen die Kinder hier?”
„Sie wollen sich ein wenig mit uns unterhalten.”
Peter Watting und Wilhelm Orr standen vom Tisch auf und verabschiedeten sich. Nachdem auch Lucy Weiß gegangen war, stülpte sich Boysie ihre blonde Lockenperücke auf den Kopf und tanzte ausgelassen durchs Zimmer. Es war ein recht unheimlicher Anblick.
„Da seht ihr, wie kindisch er ist”, sagte Zoe. „Aber er hat ein gutartiges Wesen und tut uns andern jeden Gefallen, wenn es ihm möglich ist. Auch hat er unglaublich geschickte Hände und kann wundervoll schnitzen. Seht mal, diese kleinen
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