Geheimnis um einen unsichtbaren Dieb
dabei fiel ihr der rote Kamm aus dem Haar. Mit einem Quieken hob sie ihn auf. „O weh, alles fällt nach unten! Wißt ihr, was mein frecher Vetter neulich zu mir gesagt hat? Ich sähe selber wie ein abgelegtes Stück aus und würde noch eines Tages aus Versehen für ein paar Groschen verkauft werden. Hi, hi, hi!”
Dicki, dem Fräulein Kay noch unsympathischer als der kleine Bäcker war, packte schweigend die Schuhe aus. Er wollte sich nur nach dem Namen des Diebes erkundigen und dann schnell wieder fortgehen.
„Oh, was für riesige Schuhe!” rief Fräulein Kay. „Gehören sie dir? Nun, das meine ich natürlich nur im Scherz. Ich liebe es, ein wenig zu scherzen. Die Schuhe sind ja noch sehr gut!”
„Sie sind von Oberst Cross. Im vorigen Jahr hat er Ihnen ein Paar Stiefel geschickt. Vielleicht möchte der Mann, der die Stiefel gekauft hat, auch diese Schuhe kaufen. Er muß sehr große Füße haben. Wissen Sie, wer es war?”
Bettis Herz begann schneller zu schlagen. Sie hielt den Atem an und sah Fräulein Kay gespannt an. Nun würden sie gleich den Namen des Diebes erfahren.
Aber sie erlebte eine Enttäuschung. „Die Stiefel sind gar nicht verkauft worden”, antwortete Fräulein Kay. „Es war eine geheimnisvolle Geschichte mit den Stiefeln. Ich habe mich damals sehr aufgeregt. Es ist ja so …”
„Sie sind nicht verkauft worden?” unterbrach Dicki sie, ehe sie weiter abschweifen konnte. „Wo sind sie denn geblieben?”
„Ja – sie sind einfach verschwunden.” Fräulein Kay senkte die Stimme, als fürchtete sie, von jemand belauscht zu werden. „Einfach verschwunden! Abends standen sie noch hier – und am nächsten Morgen waren sie fort!”
„Sind sie gestohlen worden?” fragte Dicki.
„Ja, sicherlich. Komisch, nichts anderes war verschwunden, nur die Stiefel! Sie standen dort unter dem Tisch, wo ich immer die Schuhe für den Ramschverkauf hinstelle, und ich hatte sie schon mit einem Preis ausgezeichnet. Ich hätte sie gern unserm netten Polizisten, Herrn Grimm, verkauft, aber eines nachts hat sie jemand gestohlen.”
„Wer kann das nur gewesen sein? Er muß sehr große Füße haben und kann nur aus Peterswalde sein. Wie hätte er sonst wissen können, daß hier bei Ihnen unter dem Tisch ein Paar Stiefel standen, die ihm paßten?”
„Wie klug du bist!” rief Fräulein Kay entzückt. „Fast ebenso klug wie Herr Grimm. Leider habe ich keine Ahnung, wer die Stiefel genommen hat. Und außer dem Polizisten kenne ich niemand, der so große Füße hat.”
„Haben Sie Herrn Grimm von dem Diebstahl erzählt?”
„Ach nein! Mein Vetter meinte, es lohne sich nicht, die Polizei wegen einer solchen Kleinigkeit zu bemühen. Er hat mir die Hälfte des Preises gegeben, mit dem ich die Stiefel ausgezeichnet hatte, und ich habe die andere Hälfte dazugelegt, so daß kein Verlust in der Ramschkasse entstanden ist. Das war doch korrekt gehandelt, nicht wahr?”
„Ja, natürlich.” Dicki langweilte das viele Gerede über die Stiefel. Vor allem aber wurmte es ihn, daß sein schöner Plan zu nichts geführt hatte. Die Stiefel waren gestohlen worden, und niemand kannte den Dieb. Es war wirklich zum Verzweifeln. Welche Spur er auch verfolgte, immer geriet er in eine Sackgasse. Für alle Fälle wollte er jedoch sein wertvolles Indiz wieder mitnehmen.
Verdrossen packte er die Schuhe ein und sagte: „Unter diesen Umständen möchte ich die Schuhe nicht hierlassen. Wenn hier ein Dieb mit besonders großen Füßen sein Unwesen treibt, könnten sie ebenfalls verschwinden. Ich werde sie Ihnen wiederbringen, wenn der Ramschverkauf losgeht.”
Fräulein Kay machte ein Gesicht, als würde sie sogleich in Tränen ausbrechen, und Dicki zog Betti hastig aus dem Zimmer. Als sie aus der Haustür gingen, sahen sie im Garten nebenan den kleinen Bäcker stehen. O weh! Nun würden sie wieder eine Menge albernes Geschwätz über sich ergehen lassen müssen.
„Hallo, hallo!” rief der Bäcker. „Sieh da, Dietrich Kronstein, der große Detektiv! Haben Sie schon den geheimnisvollen Diebstahl aufgeklärt, junger Mann?”
Dicki haßte es, mit „junger Mann” angeredet zu werden, und machte ein abweisendes Gesicht.
Betti antwortete für ihn. „Dicki hat das Geheimnis beinahe aufgeklärt. Wir suchen nur noch den Mann mit den großen Füßen. Um ein Haar hätten wir ihn schon gehabt.”
„Halt den Mund, Betti!” zischte Dicki ungewöhnlich scharf.
Betti errötete und schwieg betreten.
„Nun, dann werden wir
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