Geheimnis Um Mitternacht
genug Zeit für Lady Haughstons Toilette sein."
„Ja, aber ..."
„Oh, jetzt sagen Sie nicht, dass Sie mich nicht lassen. Das Haar von Mylady ist natürlich wunderschön, aber ganz anders als Ihres. Sie haben so viel davon - und diese Locken!"
„Diese Locken sind ein Ärgernis", sagte Irene, aber das Mädchen lächelte nur, schüttelte den Kopf und versprach Irene, dass „sie es schon sehen würde".
Und als Maisie einige Zeit später fertig war, einen Schritt zurückmachte und mit einer ausladenden Handbewegung auf ihr Werk deutete, sah Irene es tatsächlich.
„Oh ...", sagte Irene, die ihr Bild im Spiegel anstarrte.
Die Frisur, die Maisie kreiert hatte, war weit entfernt von dem einfachen festen Knoten, den sie normalerweise trug. Ihr Haar lag voll und weich um ihr Gesicht, hoch und nach hinten gesteckt und dann in einer Masse von Locken herunterfallend. Auch wenn es gut mit Haarnadeln festgesteckt war, schien es weich und nachgiebig, als ob es sich jeden Moment lösen und herabfallen könnte.
Es sah tatsächlich wunderschön aus, und Irene lächelte Maisie im Spiegel an und nickte.
Die Zofe ging, um sich um Francesca zu kümmern, und Irene blieb noch einen Moment sitzen und betrachtete sich im Spiegel. Vermutlich sollte sie sich nicht solcher Eitelkeit hingeben, aber sie konnte nicht anders, als ihr Spiegelbild anzulächeln. Sie sah hübscher aus als sonst, sanfter und zugänglicher. Sie versuchte, den strengen Gesichtsausdruck, den sie sonst trug, wieder aufzusetzen, aber irgendwie konnte sie ihr Gesicht nicht in die ernsten Züge zwingen.
Schließlich stand sie auf und ging zum Fenster hinüber, aber draußen war es dunkel geworden, und sie konnte nichts mehr sehen. Rastlos wandte sie sich wieder vom Fenster ab und fragte sich, wie sie sich die nächste Stunde, bis alle zum Diner zusammenkamen, beschäftigen sollte.
Ihr fiel ein, dass sie die Bibliothek suchen und ein interessantes Buch finden könnte, aber der Gedanke an etwas so Stilles wie Lesen gefiel ihr im Moment nicht. Sie wollte sich bewegen, aber natürlich konnte sie zu dieser Stunde und in diesem Kleid nicht zu einem Spaziergang aufbrechen. Schließlich erinnerte sie sich, dass sie heute Nachmittag, als sie angekommen waren, eine lange Galerie gesehen hatte, die von der Eingangshalle abging. Dort entlangzuspazieren und sich die Gemälde anzusehen, könnte jetzt genau das Richtige sein, um sich die Zeit zu vertreiben.
Irene nahm ihre schwarze Stola, legte sie um ihre Arme, die unterhalb der kurzen Puffärmel ihres Kleides nackt waren, und verließ den Raum. Sie ging leise, denn sie wünschte keine Begleitung, und eilte vorsichtig die Treppe hinunter. Sie hatte gerade die ersten Schritte durch die weite Eingangshalle zur Galerie auf der anderen Seite gemacht, als sie eine männliche Stimme hörte.
„Lady Irene. Sie laufen doch nicht jetzt schon weg, oder?"
Sie erkannte die Stimme, bevor sie ihn sah, und ihr Magen zog sich zusammen, als sie sich umdrehte. „Lord Radbourne."
Auch Gideon war schon zum Diner umgezogen. Mit seinem dichten schwarzen Haar und dem kantigen Gesicht wirkte er in dem formellen schwarzen Gehrock, Kniehosen und einem gestärkten weißen Hemd mit einem großen taubenblutroten Rubin, der in den schneeweißen Falten seiner Krawatte ruhte, ein wenig fehl am Platz.
Mit langen Schritten kam er auf sie zu, und sie überlegte, was ihn so anders als alle anderen Männer, die sie kannte, aussehen ließ. Vielleicht war es die sonnengebräunte Haut, die ihm ein leicht piratenhaftes Aussehen verlieh ... oder der ungleichmäßige Schnitt seines dunklen Haars, der deutlich erkennen ließ, dass er sich nur wenig Gedanken um sein Aussehen machte. Aber sie vermutete, dass es hauptsächlich seine Augen waren -so grün wie frische Blätter, aber hart und aufmerksam, als sei er stets wachsam, bereit für einen Angriff selbst hier mitten in diesem riesigen Haus.
„Sie sind zu früh fürs Diner", sagte er, als er näher kam. Eine profane Bemerkung, wobei er sie jedoch mit einem Ausdruck betrachtete, der ihr Blut erhitzte.
„Genau wie sie", erwiderte sie kühl und sah ihm direkt in die Augen. In seiner Nähe fühlte sie wieder dieselbe seltsame Mischung aus Nervosität und Wärme, die sie noch bei niemandem zuvor verspürt hatte. Aber sie war entschlossen, ihn das auf keinen Fall merken zu lassen.
„Warum gehen wir nicht durch die Galerie?", schlug er mit einer Geste in Richtung des langen Ganges vor; auf der einen Seite befanden
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