Geheimnis Um Mitternacht
die ich je kennengelernt habe, waren sehr starke und gebieterische Persönlichkeiten. Sie setzen fast immer ihren Willen durch, und wenn sie aneinandergeraten, kann es schrecklich sein." Francesca erschauderte theatralisch. „Ich vermute, dass die arme Lady Pansy von ihnen einfach überrollt wurde."
Sie hatten den Mittelteil des Gartens umrundet und wandten sich zurück zum Haus. Francesca seufzte und blickte zu der Terrasse hinauf.
„Ich denke, wir sollten zurückgehen", sagte sie ohne große Begeisterung.
Irene nickte. „Ja, ich muss noch ein paar weitere Karten beschriften, bevor es Zeit zum Abendessen ist."
Fragend sah Francesca sie an. „Und was ist mit Ihnen, Irene? Geht es Ihnen ... gut?"
„Ja, natürlich." Irene lächelte sie entschlossen an. „Die Neuigkeiten waren natürlich überraschend, aber schließlich betrifft mich das alles eigentlich nicht."
„Es betrifft Lord Radbourne, also ..."
Irene zuckte die Schultern. „Mich persönlich berührt das nur am Rande. Tatsächlich ist es ein Segen, dass er heute das Haus verlassen hat. So hatten wir mehr Zeit, um uns um die anderen Probleme zu kümmern."
Francescas Brauen zogen sich zusammen, während sie die Jüngere ansah. Irene glaubte schon, sie würde die Sache noch weiter verfolgen, aber in diesem Moment traten sie durch die Hintertür in die Halle und wurden von dem Geräusch erhobener Stimmen überrascht.
Das tiefe Murmeln eines Mannes drang durch die geschlossene Tür eines nahen kleinen Salons und erhob sich zu einem lauten: „Unmöglich!"
Dem folgte die tränenreiche Erwiderung einer Frau, aber ihre leise gesprochenen Worte waren nicht zu verstehen.
Verunsichert sahen Francesca und Irene einander an. Es war eine unangenehme Situation, und keine von beiden war sich sicher, ob es besser wäre, sich auf die Terrasse zurückzuziehen und zu warten, bis der Streit beendet war, oder so leise wie möglich durch die Halle zu huschen, in der Hoffnung, dass sie an der Tür vorbei wären, bevor sie sich öffnete. Für einen Augenblick standen sie unentschlossen da, während der unverständliche Austausch weiterging.
„Nein!", erklang nun die Stimme des Mannes. Es folgte mehr Brummeln, dann: „... kann ich nicht glauben!"
Schnell warf Irene ihrer Freundin einen Blick zu und nickte zum anderen Ende der Halle hinüber. Francesca nickte zurück, und sie eilten, so leise sie konnten, weiter. Sie hatten es beinah schon geschafft, da wurde die Tür zum Salon so heftig aufgerissen, dass sie gegen die Wand schlug.
Irene zuckte bei dem Geräusch zusammen und wirbelte unwillkürlich herum. Ein Mann kam mit langen Schritten und einem düsteren Gesichtsausdruck aus dem Salon. Irene erkannte in ihm Gideons Onkel Jasper.
Hinter ihm drang die Stimme einer Frau durch die offene Tür. „Wie willst du das wissen? Du warst nicht einmal hier! Du hattest dich zur Armee davongemacht."
Aufgebracht wirbelte Jasper herum. „Nein, ich war nicht hier, und das werde ich ewig bereuen! Ich hätte sie nämlich gefunden und zurückgebracht!"
Er wandte sich wieder um und sah zum ersten Mal den Gang hinunter bis dahin, wo Irene und Francesca in peinlicher Verlegenheit erstarrt dastanden.
Er stieß einen leisen Fluch aus, und für einen Augenblick stand er da und kämpfte darum, seine Wut unter Kontrolle zu bekommen. Schließlich seufzte er auf und verbeugte sich kurz in ihre Richtung. „Meine Damen. Ich bitte um Entschuldigung."
Pansy erschien in der Tür, ein Taschentuch zwischen den Händen wringend. Ihre Augen waren rot, und Tränen liefen über ihr Gesicht. Sie sah sogar noch zerbrechlicher aus als sonst. „Oh!", keuchte sie, als sie die anderen Frauen sah. „Oje."
Sie hob ihr Taschentuch, um sich die Augen abzutupfen. „Jasper ..."
„Ja, Mutter. Ich weiß. Meine Damen, ich entschuldige mich, eine Szene gemacht zu haben."
Er wandte sich halb zu Pansy zurück, als er weitersprach. „Mutter, ich hoffe, du vergibst mir. Die Neuigkeiten waren ... ein Schock." Seine Lippen spannten sich. Offenbar konnte er sich doch nicht zurückhalten, denn er fügte hinzu: „Aber du hast unrecht."
Erneut drehte er sich zu Irene und Francesca um. „Ich kannte nie eine bessere Frau oder Mutter als Selene. Ich bin mir sicher, sie ist nicht weggelaufen. Und sie hätte niemals ihr Kind im Stich gelassen."
Mit diesen Worten drehte er sich um und ging an ihnen vorbei nach draußen.
Seine Mutter stolperte in die Halle, während sie weiterhin ihre Tränen abtupfte. „Jasper
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