GEHEIMNISSE DER NACHT
lange im Wasser bleiben? Hä? Ich wusste nicht, dass die unter Wasser atmen können wie verdammte Fische oder so was.“
„Können sie auch nicht. Aber es dauert sehr lange, bis einer von denen wegen Sauerstoffmangel das Bewusstsein verliert.“
Fast geräuschlos zog Dante seine Arme durch das Wasser, kam immer näher ans Ufer heran und brannte darauf, ihnen die Kehlen herauszureißen und sie leer zu saugen. Er hatte eine bedenkliche Menge Blut verloren, die er auf deren Kosten wieder auffüllen konnte. Die zwei bettelten ja geradezu um seinen Zorn.
Doch ehe er seinen Plan verwirklichen konnte, eilten sie davon. Er hörte, wie Türen zuschlugen, ein Motor startete, und dann sah er die Lichter eines Autos, das vom Strand wegfuhr. Es war nicht länger notwendig, sich besonders langsam oder leise zu bewegen, und Dante schwamm, bis seine Knie auf Sand stießen. Dann richtete er sich auf und watete aus dem kalten Ozean. Als er am Strand stand, noch bis zu den Knöcheln im Wasser, splitternackt und kalt wie Stein, sah er auf die flammende Fackel zurück, die eines seiner liebsten Häuser gewesen war.
„Ich werde die zwei umbringen müssen, wer zum Teufel sie auch gewesen sind.“
„Dante?“
Sofort erkannte er diese Stimme und wartete, tropfnass, und sein Arm schrie immer noch vor Schmerzen, bis Sarafina aus den Schatten trat. Sie war wunderschön, wie immer. Ihr langer Rock war aus schwarzer Spitze mit einem Muschelsaum. Sie trug eine weiße Bauernbluse, die ihre milchigen Schultern freiließ. Bunte Seidenschals an ihrer Hüfte und in ihren schwarzen, lockigen Haaren folgten ihr wie ein Kometenschweif, wenn sie sich bewegte. Nur ihr Make-up hatte sie zu dick aufgetragen. Das hatte sie schon immer getan. Dicker schwarzer Eyeliner und dunkler Lidschatten verliehen ihr ein bedrohliches Aussehen, und die langen, gebogenen, blutroten Fingernägel taten ihr Übriges. Aber sie war eine Zigeunerin. Sie machte sich die Vorurteile zu eigen, die mit diesem Blut einhergingen. Es war ihre Marotte.
Sie kam näher, packte ihn an den Schultern, dass er vor Schmerz zusammenzuckte, und küsste sein Gesicht und seinen Mund. Er spürte ihre Wärme und roch ein frisches Opfer in ihrem Atem.
„Es geht dir gut?“, bemerkte sie, als sie ihn endlich losließ.
„Ich habe ein Loch im Arm, aber es wird schon gehen. Diese Bastarde haben mein Haus angezündet.“
„Hast du sie gesehen?“, fragte sie.
„Ja, aber sie sind geflüchtet, sonst wären sie schon tot.“
„Hatte einer von ihnen ein vernarbtes Gesicht?“
Dante warf ihr einen scharfen Blick zu und nickte. „Du bist ihnen schon begegnet?“
„Dem einen wenigstens. Er hat mich eines Nachts in Rom verfolgt. Ich hätte ihm die Kehle herausgerissen, aber als er merkte, dass ich ihn gesehen habe, ist er weggerannt wie ein Kaninchen.“
Dante seufzte. „Der Mann ist die reinste Pest.“
„Dieser Mann möchte gern umgebracht werden.“
Dante verdrehte die Augen und zwang sich trotz seines Schmerzes zu einem Lächeln. „Du glaubst, jeder Sterbliche möchte gern umgebracht werden, Sarafina.“
„Dreißig von uns sind im Schlaf ermordet worden, Dante. Und Weitere sind Bränden wie diesem nur knapp entronnen. Jemand weiß von unseren Geheimnissen.“
Ein kalter Schauer überlief ihn – ob es an ihren Worten lag oder an der Temperatur, wusste er nicht mit Sicherheit. „Lass uns irgendwo hingehen, wo ich mich abtrocknen kann“, sagte er. „Wir können uns dort weiter unterhalten.“
„Ja. Du wirst bald einen Haufen Schaulustiger anziehen, wenn du dich so unbekleidet zur Schau stellst.“
Sarafina nahm ihn am Arm und führte ihn zu einer schwarzen Limousine, die hinter einer Kurve geparkt war. Sie sorgte dafür, dass er sich auf die Rückbank setzte und stieg neben ihm ein. Ihre Extravaganz entlockte ihm ein Lächeln.
Der Fahrer äußerte sich nicht zu dem klatschnassen nackten Mann, den seine Arbeitgeberin da anschleppte. Er sah ihr nicht einmal direkt in die Augen, als sie mit ihm sprach. Er war gut ausgebildet, dachte Dante. Sehr gut. Vielleicht zu gut. Sarafina drückte auf einen Knopf, und die Glastrennwand zum Vordersitz senkte sich ein Stück. „Bring uns zurück zum Apartment, Schatz. Und dreh die Heizung hier hinten auf.“
Der Fahrer antwortete nur mit einem Nicken, während das Glas sich schon wieder schloss. Dann setzte der Wagen sich in Bewegung.
Sarafina nahm einen großen gehäkelten Schal und rieb damit Dantes Schultern, Brust und seine Haare.
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