GEHEIMNISSE DER NACHT
ihrer Aufgabe stellte, verspürte sie leichte Zweifel, ob sie zu so etwas überhaupt in der Lage war. Zu schwerer körperlicher Arbeit war sie eigentlich viel zu schwach. Sie spielte kurz mit dem Gedanken, jemanden anzustellen, aber dann wurde ihr klar, dass sie nicht mehr wusste, wem sie noch trauen konnte. Wie sollte sie jemandem erklären, dass er schweigen musste? Und selbst wenn es ihr gelang, würde derjenige es dann nicht erst recht weitererzählen? Sie war, wer sie war, und er würde diese kleine Sache wahrscheinlich für ein paar Tausend Dollar an eine Klatschzeitschrift verkaufen.
Außerdem fühlte sie sich stark genug, um die Arbeit anzugehen. Mit einem Schulterzucken kniete sie sich also auf den Boden und nahm die Brechstange zur Hand. Sie würde es, beschloss sie, nie erfahren, wenn sie es nicht versuchte.
Innerhalb einer Stunde hatte sie die alten Nägel, von denen die zersplitterten Holzreste in den Hauptbalken unter dem Boden gehalten wurden, hochgezogen und die Holzstücke entfernt. Dann vermaß sie das Loch und markierte die neuen Bretter in der richtigen Länge.
Jetzt der Test, dachte sie, als sie die Säge zur Hand nahm. Wenn sie das schaffte, wäre es ein Wunder.
All ihre Zweifel unterdrückte sie geflissentlich, legte die Säge an der vorgezeichneten Linie an und zog sie zurück. Dann begann sie, das Sägeblatt möglichst gleichmäßig vor und zurück zu ziehen. Das kurze Ende fiel ab, schlug auf den Boden auf, und sie schaute erschreckt nach unten. Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn und spürte die Schweißperlen, die sich dort gebildet hatten. Ihr Herz schlug schneller, und ihr Körper war warm vor Anstrengung. Gott, wann hatte sie sich zum letzten Mal so gefühlt?
Sie arbeitete weiter, sägte die Bretter, passte sie an und nagelte sie fest. Als nur noch ein Brett übrig war, hielt sie kurz inne, um alle Holzreste, das Sägemehl und die verbogenen benutzten Nägel in das Loch zu kehren. Dann nagelte sie auch das letzte Brett fest.
Es sah nicht perfekt aus, als sie fertig war. Die Bretter hatten eine andere Farbe, heller, sie sahen neuer aus, waren nicht versiegelt, und sie lagen nicht gerade eng aneinander. Aber es war das Beste, was sie im Augenblick tun konnte. Ihre Energie schien langsam abzuebben.
Mit einem Besen fegte Morgan die letzten Reste Sägemehl und Schmutz auf. Dann legte sie den Orientteppich wieder zurück, der jetzt die neuen Bretter bedeckte.
Sie bürstete sich die Hände ab, richtete sich auf und war fertig.
Nur noch eine Stunde bis Sonnenuntergang. Sie sah an sich hinab, merkte, dass sie vor Schweiß klebte und an ihrer Haut und in ihren Haaren Sägemehl hing. Wenn er zurückkam – Gott, wie sehr sie das hoffte –, sollte er sie nicht so sehen.
„Ich muss mich bereit machen“, flüsterte sie, „für Dante.“ Noch mehr Tageszeit, die ihr aus den Händen gerissen wurde. Es würde kaum noch Zeit bleiben, alles zu lesen. Trotzdem, es war wichtig.
Eine halbe Stunde später kehrte sie in ihr Arbeitszimmer zurück, frisch geduscht, und ihre Haare, frisch gewaschen und geföhnt und nach Lavendel duftend, wallten offen über ihre Schultern. Sie trug den weißen Satinmorgenmantel, den sie an der Taille zusammengebunden hatte und der ihr bis zu den nackten Füßen reichte, und hatte sich eine Kanne Kräutertee und einen Becher mitgebracht. Es war eine besondere Mischung, die neue Energie versprach. Langsam fühlte sie sich wieder matter, auch wenn sie immer noch mehr Energie hatte als in der Zeit, ehe Dante zu ihr gekommen war.
Sie drehte das Gas im Kamin an, ging dann zum Safe in der Wand und nahm eines der kostbaren Tagebücher heraus, eines, das sie immer noch nicht bis zum Ende gelesen hatte. Damit zog sie sich in den großen Sessel neben dem Feuer zurück. Sie füllte ihren Becher mit Tee und blätterte durch die Seiten, bis sie an die Stelle kam, an der sie beim letzten Mal aufgehört hatte. Und ehe sie es sich versah, war sie wieder in den Geschichten des Vampirs gefangen, hörte sie so deutlich, als würde Dantes tiefe volle Stimme sie ihr vorlesen.
Sarafina hatte versucht, mich zu warnen. „Lass dich nie mit Sterblichen ein. Niemals.“ Sie hatte es mir früh in meiner Ausbildung gesagt und immer wiederholt. „Unsere Art muss alleine leben.“
„Was ist mit den Auserwählten?“
Ich kannte den Begriff. Sie war davon tatsächlich etwas überrascht, glaube ich, weil sie mir nichts von ihnen erzählt hatte. Wir saßen bei Nacht an einem Feuer in
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