GEHEIMNISSE DER NACHT
Ältesten gesehen. Ich habe gehört, wie sie davon gesprochen haben. Und ich habe fest vor, zu überleben, nach meinen eigenen Regeln und auf meine eigene Art, bis ich diesen Frieden auch für mich gefunden habe.“
Und das, dachte ich, würde sie sicherlich. Aber noch war sie rastlos. Suchte nach etwas, vielleicht nach dem Frieden, von dem sie sprach, vielleicht nach etwas anderem. Ich wusste es nicht.
„Und was tust du, Fina?“, fragte ich sie. „Wenn du … Gesellschaft suchst?“
„Dafür haben wir einander.“
„Ich meinte eine andere Art.“ Ich musste meinen Blick abwenden, ich hatte mich noch immer nicht an die lustvolleren Aspekte meines Daseins gewöhnt, ich verstand sie noch nicht, denn mein übernatürliches Leben war noch sehr jung. Ich konnte sie, als ich sprach, nicht ansehen. „Wenn ich von den Menschen trinke – besonders von den Frauen, manchmal auch von den Männern – fühle ich …“
„… Begehren“, beendete sie den Satz für mich. „Jetzt verstehe ich, was du wissen willst. Wie man es befriedigt.“
Die Augen auf das Feuer gerichtet, nickte ich.
„Sei deshalb nicht verlegen, Dante. Wir sind sinnliche Kreaturen. Es liegt in unserer Natur. Jede körperliche Empfindung ist für uns in einem Maße verstärkt, das einfache Sterbliche nicht ertragen könnten. Wir fühlen alles tausendmal intensiver als vorher. Schmerz, ja. Bis zu dem Punkt, wo er uns lähmen kann. Aber auch Vergnügen. Die Art, auf die wir den körperlichen Höhepunkt empfinden, ist unvergleichlich.“
Meine Kehle wurde trocken, und ich fühlte schon durch ihre Beschreibung Begehren in mir aufsteigen.
„Blutlust und sexuelle Lust sind für unsere Art eng miteinander verwoben“, fuhr sie fort. „Man kann nicht das eine ohne das andere empfinden. Wenn du versuchen solltest, mit einer Sterblichen zu verkehren, dann wirst du ihr, ehe du fertig bist, tief ins Fleisch beißen und sie leer trinken. Beides geht Hand in Hand. Die Ekstase des Trinkens verstärkt den Orgasmus, und der Orgasmus verstärkt die Ekstase des Blutes. Die Kombination der beiden ist eine so starke betäubende Lust, dass man sich vollkommen dem Gefühl überlässt. Man verletzt die Sterblichen. Man tötet sie.“
Ich betrachtete sie durch zusammengekniffene Augen. „Ich denke nicht, dass ich daran glaube.“
„Nein?“
„Nein. Natürlich kann ich spüren, dass ein Teil Wahrheit in dem ist, was du sagst, aber ich glaube nicht, dass körperliche Lust mich bis in den Kontrollverlust treiben kann. Das sicherlich nicht.“
„Vielleicht“, sagte sie langsam und zog jedes Wort in die Länge, „es ist weniger wahrscheinlich, einen der Auserwählten umzubringen, auch wenn das Risiko immer noch besteht. Am besten hält man sich an andere Vampire, oder man schafft sich ein paar Sklaven.“
„Sklaven.“ Ich spie das Wort mit Verachtung aus. Sie hielt sich immer einen zur Verfügung. Sterbliche, die nicht zu den Auserwählten zählten, die sie buchstäblich zu Zombies gemacht hatte und die ihr vollkommen ergeben waren. Sie saugte sie aus, aber nicht bis zum Tode. Dann nährte sie ihre Körper mit einem winzigen Teil ihres eigenen verfluchten Blutes. Sie tat dies wieder und wieder, hielt sie tagelang gefangen, bis sie in ihren Bann gerieten. Bereit, jedem ihrer Befehle zu gehorchen, ihre Existenz ganz darauf aufbauend, ihr zu gefallen. Ich wusste nicht, wie es ihr gelang, sich mit diesen geistlosen Drohnen zu vereinigen, ohne sie umzubringen. Ich glaube, am Ende hat sie es doch getan, aber wie sie ihre Opfer bis dahin am Leben hielt, wusste ich nicht.
Ich hasste sie. Ich hasste ihren Anblick. Und ich verspürte nicht den geringsten Wunsch, zu wissen, was genau sie mit ihnen anstellte.
Was mich anging, ich kannte meine eigene Seele. Und ich wusste, ich könnte nie so trunken vor Begehren werden, einen Unschuldigen umzubringen. „Ich glaube dir nicht“, wiederholte ich noch einmal, „ich denke, du willst mich nur davon abhalten, mit jemand anderem als dir selbst zusammen zu sein.“
Sie hob ihre Augenbrauen. „Tust du das?“
„Ja. Du hast vielleicht nicht die innere Stärke, gegen deine Lüste anzukämpfen, du kannst vielleicht nicht mit jemandem schlafen, ohne ihn umzubringen. Aber ich schon.“
„Na. Das ist ja gut zu wissen.“
Ich konnte es damals nicht wissen, aber meine liebe Wohltäterin hatte einen Plan, wie sie mir ein für alle Mal die Wahrheit beibringen wollte. Es war Wochen später. Wir hielten uns in einem Herrenhaus
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