GEHEIMNISSE DER NACHT
zwischen ihren Daumen und ihren Zeigefinger und zog ihn sehr vorsichtig nach außen und nach unten. Sie beugte sich näher über Morgan und versuchte, etwas zu erkennen.
Sie waren da. Genau, wie sie es vermutet hatte. Zwei kleine Wunden, von dunkler rotbrauner Farbe.
„Dante, neeeiiin“, stöhnte Morgan im Schlaf auf.
Maxine schreckte so plötzlich zurück, dass sie den Kragen gegen den Hals der Frau schnappen ließ.
„Bleib weg!“, krächzte Morgan. Ihr Kopf begann sich auf den Kissen hin und her zu werfen. „Nein, Dante, komm nicht her.“ Tränen quollen unter ihren geschlossenen Lidern hervor.
Maxine spürte einen stechenden Schmerz in ihren Eingeweiden. Das war ihre Schwester. Und sie war von einem Vampir angegriffen worden. Es war ihr unerklärlich, warum Morgan darauf bestand, es zu leugnen, aber die Beweise waren eindeutig, von den Wunden an ihrem Hals bis zu den Worten in ihren Albträumen, mit denen sie das Monster anflehte, nicht zurückzukommen.
„Nein, nein!“
Fürsorglich beugte Maxine sich wieder vor und nahm Morgan dieses Mal bei den Schultern. „Ruhig. Es ist in Ordnung. Du bist in Sicherheit.“
Die junge Frau hörte auf, sich zu wehren. Sie wurde ruhig, auch wenn ihr Atem etwas schneller ging als zuvor.
„Es ist alles gut“, flüsterte Maxine.
Morgan schlug die Augen auf. Es schien einen Augenblick zu dauern, ehe sie sich erinnerte, wen sie vor sich hatte. Der kurze Schreckensmoment war gefolgt von langsamer Klarheit. „Du bist noch hier?“, stellte sie leise fest.
„Du bist unten ohnmächtig geworden. Lou hat dich raufgetragen.“
Ihre Augen fielen schon wieder zu. „Es geht mir gut. Du kannst gehen.“
„Dein Freund David hat etwas anderes gesagt.“
Sie riss ihre Augen wieder weit auf. „D-David? Du hast mit ihm gesprochen? Aber wie?“
„Ich habe versucht, eine Telefonnummer von deinem Arzt oder Familienangehörigen zu finden, und hatte nicht viel Glück, aber dann hat das Telefon geklingelt. Es war ein Mann namens David Sumner, der sehr besorgt um dich schien. Ich habe ihm erklärt, was passiert ist …“
„Dazu gab es keinen Grund“, flüsterte Morgan.
„Er ist morgen früh hier. Er hat mich gebeten, zu bleiben, bis er hier ist. Und das habe ich getan.“
„Ich muss nicht bewacht werden.“
„Ich weiß von Dante“, sagte Maxine jetzt knapp.
Ihre Blicke trafen sich. „Ich auch. Er ist ein ausgedachter Charakter in einigen Filmen, die ich geschrieben habe.“
„Ich meine den echten Dante. Den, der die Wunden an deinem Hals hinterlassen hat.“
Sofort legte Morgan ihre Hand an den Hals, aber als sie den Rollkragen spürte, runzelte sie die Stirn. „Da sind keine …“
„Spar es dir, Schwester. Ich habe nachgesehen.“
„Du verstehst das nicht“, sagte Morgan mit einem Seufzen, das aus vollster Seele kam.
„Warum erklärst du es mir nicht einfach?“
Langsam setzte Morgan sich auf. Ganz automatisch beugte sich Maxine vor, um die Kissen hinter ihr aufzuschütteln, und als ihre Blicke sich begegneten, fühlte sie sich zum ersten Mal mit ihrer neuen Schwester verbunden. „Du musst nicht mehr allein mit allem fertigwerden“, sagte sie zu Morgan, „du hast jetzt eine Familie. Mir bedeutet das etwas, auch wenn du das anders siehst. Du bist meine Schwester. Ich lasse nicht zu, dass irgendwer dir wehtut.“
Morgan lehnte sich in die Kissen zurück, die Maxine für sie gerichtet hatte, und senkte ihren Blick. „Mir bedeutet es auch etwas.“ Sie sagte es sehr zögerlich. „Ich war nur … es war ein Schock. Ich wollte nicht so … kalt sein.“
„Du hattest einen schwierigen Abend.“
„Aber es war nicht Dante. Er würde mir nicht wehtun.“
„Nein.“ Sie versuchte, nicht zu zeigen, wie sehr es sie freute, dass Morgan endlich zugegeben – oder so gut wie zugegeben – hatte, dass es Dante wirklich gab.
„Nein. Es ist dieser entstellte Mann. Er ist der Feind. Er ist es, der mich angegriffen hat. Er hatte …“ Sie musste eine Pause machen, um gegen ein Schluchzen anzukämpfen. „Er hatte eine Armbrust.“
„Das muss schrecklich gewesen sein.“
„War es. Lieber Gott, ich hatte solche Angst. Und ich weiß immer noch nicht, ob er …“ Sie unterbrach sich und biss sich auf die Lippe.
„Du weißt nicht, ob er was? Ob er zurückkommt? Darüber musst du dir keine Sorgen machen, Morgan. Du hast hier einen Cop, einen Privatdetektiv und eine Sozialarbeiterin für ausgerissene Teenager im Haus. Wir drei zusammen schaffen so ziemlich
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