Geheimnisse des 'Dritten Reichs'
beauftragte den SS-Chef Himmler, seinen Schwager in spe verhaften zu lassen und an die Ostfront zu schicken.
Erwin Jekelius überlebte den Krieg, wurde von Angehörigen der Roten Armee auf der Flucht verhaftet und 1948 in Moskau vor Gericht gestellt. Den Russen gestand der Arzt, dass er nicht nur persönlich an der Tötung von mehr als 4000 Erwachsenen, sondern auch an der Massenvernichtung geisteskranker Kinder beteiligt war. Seine Verhörprotokolle wurden erst vor wenigen Jahren im Zuge von ZDF-Recherchen über die Familie Adolf Hitlers wiederentdeckt. Minutiös ist darin festgehalten, wie der Arzt die eigene Beteiligung und die erschütternden Details der Morde schilderte. »Für jedes kranke Kind, das sich in Behandlung befand, habe ich als Klinikdirektor mithilfe meines medizinischen Personals eine spezielle Bescheinigung angelegt, die sowohl die Krankengeschichte als auch die Diagnose enthielt. Diese Bescheinigung wurde an das Innenministerium nach Berlin zur Begutachtung durch eine dort eingerichtete spezielle Ärztekommission gesandt, die dann über die Notwendigkeit, das eine oder andere Kind zu töten, entschied. Man stellte Listen über die betreffenden Kinder zusammen und schickte sie mir zur unmittelbaren Ausführung. Ich habe diese Listen an Dr. Gross übergeben, der dann die Tötung der Kinder mittels der Verabreichung von Luminal vornahm.« Auch darüber, wie die Angehörigen der Kranken systematisch getäuscht wurden, gab der Arzt Auskunft: »Die Tötung kranker Kinder wurde von uns unter strengster Geheimhaltung vorgenommen. Daher wussten die Eltern darüber gar nichts. Nach der Vergiftung eines Kindes durch Dr. Gross wurde den Eltern mitgeteilt, dass ihr Kind an dieser oder jener Krankheit gestorben sei, die er sich selbst ausdachte. Diese Mitteilungen habe ich als Klinikdirektor selbst unterschreiben.«
»Im Sommer 1940, während meiner Tätigkeit als Referent, erhielt ich einen Brief von einer gewissen Paula Hitler mit der Bitte, ich möchte doch ihre Bekannte Heiderer retten, die sich in der Nervenheilanstalt ›Steinhof‹ befand. Der Brief war gut und korrekt geschrieben. Als Facharzt für Psychiatrie konnte ich den Charakter der Autorin als positiv erkennen und beschloß, mit ihr persönlich zu sprechen.«
Auszug aus dem Verhörprotokoll von Dr. Erwin Jekelius in sowjetischer Haft
Paula Hitler hatte ihr Wissen von den Verbrechen ihres Bruders nach dem Krieg nie öffentlich gemacht – im Gegenteil: Stets präsentierte sie sich als die ahnungslose und liebende Schwester, die sich dazu berufen fühlte, den Bruder zu verteidigen. So schrieb sie wenige Jahre nach Kriegsende an einen befreundeten, rechtsgerichteten Verleger: »Ich sehe den Mann [Hitler] immer nur mit den guten, strahlenden Augen vor mir, die überstrahlten bei weitem die Gewitter, die zu verschiedensten Zeiten bei den verschiedensten Anlässen über andere Häupter, ohne Ausnahmen, wolkenbruchartig niedergegangen sind. Und dieses Bild im guten Sinne würde dafür stehen, es auch für die übrige Menschheit festzuhalten.« Für die Opfer und deren Leiden fand die Schwester nie ein Wort des Mitgefühls. In den letzten Jahren ihres Lebens galt ihr Interesse nur noch dem Erbe, das ihr Bruder hinterlassen hatte. Über Jahre kämpfte sie als nächste noch existierende Angehörige mit den Gerichten um einen Erbschein. Am Ende hatte sie Erfolg. Doch viel Zeit, den Sieg auszukosten, blieb Paula Hitler nicht mehr. Wie sich ihr behandelnder Arzt erinnerte, »war sie eindeutig vorzeitig gealtert – sie war knapp 60 Jahre alt, sah aber aus wie 80 Jahre«. Am 1. Juni 1960 verstarb Paula Hitler an Herzversagen und wurde auf dem neuen Friedhof von Schönau bei Berchtesgaden beigesetzt. Die Kosten für das Grab wurden über Jahrzehnte von einem ehemaligen SS-Mann bezahlt, der sich damit das zweifelhafte Recht erkaufte, selbst einmal an der Seite der Schwester eines der größten Verbrecher der Geschichte beerdigt zu werden.
»Vorzeitig gealtert«: das Grab Paula Hitlers in Berchtesgaden kurz nach ihrem Tod im Juni 1960.
Verlag Florian Beierl, Berchtesgaden
Der englische Neffe
Es muss für Adolf Hitler ein Schock gewesen sein, als 1930 gleich zwei englische Zeitungen Interviews mit dem Sohn seines Halbbruders Alois veröffentlichten: »Dieser junge Londoner Büroangestellte, William Patrick Hitler, ist ein Neffe von Adolf Hitler, dem neuen politischen Führer in Deutschland.«
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es der NS-Führer verhindern
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