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Geheimnisse des 'Dritten Reichs'

Geheimnisse des 'Dritten Reichs'

Titel: Geheimnisse des 'Dritten Reichs' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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können, dass Angehörige seiner Familie Interna an die Presse ausplauderten. Nun musste er Enthüllungen durch eine undichte Stelle in der Familie selbst fürchten. Offensichtlich beunruhigte ihn diese Tatsache, und er wies seine Halbschwester Angela an, den geschwätzigen Verwandten unverzüglich nach Berlin zu zitieren. Die Schwester ahnte wohl, dass der Neffe nicht so ohne Weiteres kommen würde, und bediente sich einer List. Sie telegrafierte nach London: »VATER STIRBT STOP KOMM SOFORT NACH BERLIN STOP TANTE ANGELA.« Ohne zu zögern folgte Willy der Aufforderung, doch anstatt seinen sterbenden Vater Alois vorzufinden, sah er sich einem tobenden Adolf Hitler gegenüber. In ihren Memoiren schilderte Willys Mutter nach dem Krieg, was sich bei dem Familientreffen in einem Berliner Hotelzimmer abgespielt hatte, bei dem auch Willys Vater Alois und dessen Schwester Angela Raubal anwesend waren. Hitler schäumte vor Wut und empfing sie mit den Worten: »Das muß ausgerechnet mir passieren! Ich bin umgeben von Idioten, jawohl, Idioten seid ihr. Ihr zerstört alles, was ich mit meinen eigenen Händen aufgebaut habe.« Und an Willy gewandt: »Was hast du der Presse erzählt? Wer hat dir die Erlaubnis gegeben, dich als Autorität in meinen Privatangelegenheiten aufzuspielen?«

    »Der Neffe von Adolf Hitler«: William Patrick Hitler versuchte, aus seiner Verwandtschaft mit dem NSDAP-Führer Kapital zu schlagen.
    New York Public Library, New York
    Als der Neffe einwandte, dass er doch lediglich die Wahrheit gesagt habe, verlor Hitler vollends die Fassung und brüllte: »Die Wahrheit! Ich werde von allen Seiten angegriffen und kann mir keinen Schandfleck erlauben. Ich stehe nur einen Schritt davor, ganz nach oben zu kommen, ich kann sogar Kanzler werden, und dann zerstört mich meine eigene Familie. Dann kommt ein ›Neffe‹ und erzählt ihnen die ganzen schmutzigen Details, die sie wissen wollen.« Am Ende seiner Tirade behauptete Hitler, dass Willy gar nicht mit ihm verwandt sei, da dessen Vater Alois kein leiblicher Sohn von Hitlers Vaters sei, sondern lediglich adoptiert. Mit 2000 Dollar Schweigegeld und der strengen Auflage, das Verwandtschaftsverhältnis künftig zu leugnen, schickte er Willy wieder nach Hause. Der eingeschüchterte junge Mann hielt sich an die Anweisungen des prominenten Politikers, doch das änderte nichts an der Tatsache, dass er einen Namen trug, der in England keinen guten Klang hatte. Nach Hitlers »Machtergreifung« im Januar 1933 begegnete man ihm mit immer größeren Vorbehalten. Sobald er bei Vorstellungsgesprächen seinen Namen nannte, winkte man freundlich, aber bestimmt ab. Willy hatte größte Probleme, Arbeit zu finden.
    In England war der Name eine Bürde, in Deutschland ließ sich daraus vielleicht Profit schlagen. Und die Geschichte von seinem »adoptierten« Vater hatte Willy nie wirklich überzeugt. Der junge Mann wandte sich an Dr. Frederick Kaltenegger, den Rechtsanwalt der britischen Botschaft in Wien, und beauftragte den Juristen, beweiskräftige Papiere über seine Verwandtschaft mit dem NS-Führer zu beschaffen. Dr. Kaltenegger reiste ins Waldviertel und nach Braunau und machte zahlreiche Dokumente ausfindig, darunter die Geburtsurkunde von Alois Hitler und die Heiratsurkunde der Hitler-Eltern. Im Sommer 1933 schickte der fleißige Jurist ein umfangreiches Paket mit zahlreichen Unterlagen nach London, aus denen Willys Verwandtschaft mit Hitler eindeutig hervorging. Als Honorar für seine Bemühungen schlug Kaltenegger im Begleitschreiben ein englisches Pfund vor »unter der Voraussetzung, dass Sie sich das leisten können, ansonsten zahlen Sie, was Sie können«. William deponierte die Dokumente in einem Londoner Bankschließfach und reiste nach Deutschland ab.
    Am 20. Oktober 1933 traf der Neffe in Berlin ein und wandte sich über seine Tante Angela Raubal an Hitler. Doch der Diktator ließ ihm nur kühl ausrichten, dass er ihn nicht als Verwandten betrachte. Als Willy darauf seine Dokumente ins Spiel brachte, änderte sich der Ton schlagartig. Die genauen Zusammenhänge hat der US-Historiker Dr. Timothy Ryback erforscht, der sich seit Jahren intensiv mit der Familiengeschichte der Hitlers befasst: »Hitler kannte den Inhalt der Dokumente zwar nicht, stufte sie aber dennoch als so bedeutsam ein, dass er bereit war, den Forderungen von Willy Folge zu leisten.« Ryback sah in Willy eine ernsthafte Bedrohung für Hitler: »Es war eine dreiste Erpressung von Willy, und das

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