Geheimnisse des 'Dritten Reichs'
der Legende vom asketischen, opferbereiten, selbstlosen »Führer«.
Die medienwirksame Spende konnte sich der Bestsellerautor Hitler mit Leichtigkeit leisten. Doch der staatsbürgerlichen Verpflichtung, Steuern zu zahlen, wollte er nicht nachkommen. Und nun lag diese unangenehme Angelegenheit in den Händen des Münchner Steuerinspektors Vogt. Zum wiederholten Male hatte Hitlers Adjutantur nicht auf dessen Nachfragen reagiert. Hitlers Chefadjutant, SS-Obergruppenführer Julius Schaub, der die steuerlichen Angelegenheiten des Kanzlers bearbeitete, war für Vogt meist nicht zu sprechen oder gab ausweichende Antworten. Schließlich aber bewegte er sich – und fuhr schweres Geschütz gegen den kleinen Finanzbeamten auf.
»Mit nachstehenden Steuern im Rückstande«: Ende 1934 flatterte dem »Führer« eine saftige Steuernachforderung auf den Tisch.
Baumann, Christian
Schaub wandte sich an den Staatssekretär im Reichsministerium der Finanzen, Fritz Reinhardt. Der war von Hitler im April 1933 persönlich eingesetzt worden und traf im Ministerium die Entscheidungen im Steuerwesen. Reinhardt entschied kurzerhand, dass Hitler die Hälfte seiner Jahreseinnahmen als Werbungskosten absetzen konnte, damit blieb für 1933 eine Steuerschuld von 297000 Mark, dazu kam die Forderung, für das Jahr 1934 eine Vorauszahlung von 400000 Mark zu leisten. Doch Hitler war immer noch nicht bereit, diese reduzierte Einkommensteuer zu bezahlen. Pünktlich überwiesen wurde nur seine Kirchensteuer. Der ansonsten zahlungsunwillige »Führer« ließ erneut seinen Finanzstaatssekretär Reinhardt von der Leine. Der trug dem Münchner Oberfinanzpräsidenten Ludwig Mirre nun auf, seinen Finanzbeamten endlich auf die Finger zu klopfen. Und so setzte Mirre Vogts direkten Vorgesetzten über eine Vereinbarung in Kenntnis, die im Finanzministerium getroffen worden war: Adolf Hitler sei »im Hinblick auf seine verfassungsrechtliche Stellung nicht steuerpflichtig«. Und am 19. Dezember 1934 schrieb Mirre an den Vorsteher des zuständigen Finanzamts: »Alle Steuerbescheide sind, soweit sie eine Pflicht des Führers begründen würden, von vornherein nichtig. … der Führer ist damit steuerfrei!«
»Der Führer ist damit steuerfrei«: Knapp zehn Jahre nach seiner Anlage wurde Hitlers »Steuer-Akt« im Münchner Finanzamt geschlossen.
Baumann, Christian
Mit diesem Vermerk wurde Hitlers Akte im Finanzamt Ost im »Alten Hof« in der Burgstraße aus dem Verkehr gezogen und unter Verschluss genommen. Der Deal zulasten der Staatskasse lohnte sich für Hitler – als Reichskanzler sollte er nie Steuern bezahlen. Die »Amtshilfe« lohnte sich auch für den Münchner Oberfinanzpräsidenten Mirre. Er bekam als Dank für seine freundliche Hilfe bis zum Jahr 1945 2000 Mark monatlich zu seinem Beamtengehalt hinzu – steuerfrei, versteht sich. Und am 1. April 1935 wurde er dann zum Präsidenten des Reichsfinanzhofs ernannt.
Hitler als Steuersünder – dieser Aspekt mag angesichts der ungeheuerlichen Verbrechen, die der Diktator in seiner zwölfjährigen Amtszeit zu verantworten hatte, eher unbedeutend erscheinen. Doch gleicht diese Episode aus der Anfangszeit seiner Herrschaft der Spitze eines Eisbergs; sie lässt ahnen, was unter der Oberfläche der allseits propagierten Einfachheit und Bescheidenheit lauerte. Die besondere Steuerregelung für Hitler ist symptomatisch für die korrumpierende Wirkung, die das NS-Herrschaftssystem von Beginn an auf die staatlichen Strukturen des Deutschen Reichs hatte. Dreist wurde stets der Vorteil der NS-Führer durchgeboxt. Und überall fanden sich in den bestehenden Strukturen bereitwillige Helfer, die gegen entsprechende Pfründen – Geld, Karriere, Einfluss – gerne mitmachten. Zugleich wirft die anrüchige Steuerbefreiung ein Licht auf Hitlers persönliches Finanzgebaren sowie auf die Tatsache, dass der Kontrast zwischen verkündeten Idealen und gelebter Realität bei ihm besonders krass war: Der nach außen zur Schau gestellte spartanische Lebensstil Hitlers, die öffentlich gepriesene persönliche Bescheidenheit des »Führers«, war Teil einer Inszenierung, die mit der Realität wenig zu tun hatte. Der Multimillionär Hitler praktizierte Askese in puncto Essen und Kleidung – das sei unbestritten, stellt sein Biograf Ian Kershaw in seinem Standardwerk Hitler, 1889 – 1933 fest und fügt an, dass des Diktators Leben dennoch »im Rahmen eines unerhörten Luxus« stattfand. Der »Führer« des »Dritten Reichs«
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