Geheimnisse des 'Dritten Reichs'
ebenfalls aus Linz, er schilderte später, dass er während eines Besuchs bei Hitlers Halbschwester Angela Raubal deutliche Kritik an dessen Verhalten vernahm: »Alle seine Angehörigen hielten ihn für einen Taugenichts, der jede brotbringende Arbeit von vornherein scheute.« Schließlich ging Hitler seine Lieblingstante Johanna um Unterstützung an, diese gewährte ihm ein Darlehen von 924 Kronen. Damit konnte Hitler fast ein weiteres Jahr in den Tag hineinleben. Erst als auch dieses Geld aufgebraucht war, im Herbst 1909, musste er seine Wohnung aufgeben, landete er auf der Straße und schließlich in einem elenden Männerwohnheim.
»Fünf Jahre, in denen ich erst als Hilfsarbeiter, dann als kleiner Maler, mir mein Brot verdienen mußte; mein wahrhaft kärglich Brot, das doch nie langte, um auch nur den gewöhnlichen Hunger zu stillen. Er war damals mein getreuer Wächter, der mich als einziger fast nie verließ, der in allem redlich mit mir teilte. Jedes Buch, das ich mir erwarb, erregte seine Teilnahme; ein Besuch der Oper ließ ihn mir dann wieder Gesellschaft leisten auf Tage hinaus; es war ein dauernder Kampf mit meinem mitleidlosen Freunde.«
Hitler, Mein Kampf
»Das Leben eines Bohemiens«: Obwohl Hitler in seinen Wiener Jahren nur wenig Geld zum Leben hatte, war für ihn der häufige Besuch der Hofoper selbstverständlich.
akg-images, Berlin
»Phantastische Pläne«: Hitlers Entwurfzeichnung für den Neubau einer großen Tonhalle in seiner Heimatstadt Linz vom Sommer 1908.
Bayerische Staatsbibliothek, München
Zu dieser Zeit waren die Mieten und Lebenshaltungskosten in Wien extrem gestiegen, und es herrschte wegen der steten Zuwanderung eine große Wohnungsnot. Die Behauptung Hitlers in Mein Kampf , dass er fortan auf dem Bau geschuftet habe, ist widerlegt, ebenso wie seine bittere Klage: »Zwei Jahre hatte ich keine andere Freundin als Sorge und Not, keinen anderen Begleiter als ewigen unstillbaren Hunger.« Diese Schilderung aus Mein Kampf ist maßlos übertrieben, denn Hitler hatte Glück und traf im Obdachlosenasyl auf einen Überlebenskünstler namens Reinhold Hanisch. Und der bewegte den jungen »Künstler«, endlich einmal seine – wenn auch begrenzten – Talente in bare Münze umzusetzen. Er schlug ihm vor, kleinformatige Bilder zu malen, mit denen Hanisch dann Rahmenwerkstätten abklapperte. Dort waren Motive willkommen, die halfen, die leeren Rahmen zu verkaufen. Erstmals verdiente Hitler ein wenig Geld; die beiden teilten den Erlös und konnten sich so bald aus dem Obdachlosenasyl verabschieden. Hanisch und Hitler zogen in ein mustergültiges Männerwohnheim, eine Art »Leuchtturmprojekt« der damaligen Wiener Armenfürsorge. Das Wohnheim in der Meldemannstraße war keine Endstation für gescheiterte Existenzen – hier gab es Einzelzimmer, vorbildliche Sanitäranlagen, gepflegte Gemeinschaftsräume, Kochnischen für Selbstkocher sowie preiswerte Mahlzeiten. Und es gab Arbeitsräume, in denen die Männer verkaufbare Bastelarbeiten anfertigen konnten. Hitler malte nun regelmäßig Aquarelle von Wiener Motiven, Fotos oder Postkarten dienten als Vorlage, Hanisch vermarktete die Billigkunst. »Beide verdienen nun genug Geld, um sich die demütigende Suche nach anstrengenden Gelegenheitsarbeiten zu ersparen, ebenso wie das tägliche stundenlange Anstehen vor irgendeiner schmutzigen Schlafstätte oder dem Obdachlosenasyl«, schreibt die Historikerin Brigitte Hamann in ihrer Studie Hitlers Wien und stellt fest: »Zum ersten Mal in seinem Leben ist Hitler fähig, seinen Lebensunterhalt durch Arbeit zu bestreiten.« Doch es gab Ärger mit seinem »Agenten« Hanisch, der sich über die Arbeitsmoral Hitlers beklagte: »Es war unmöglich, Hitler an die Arbeit zu bringen. Während ich mich abmühte, Rahmer und Tapezierer zu bearbeiten, setzte er sich morgens im Heim hin, um zu zeichnen. Aber dann fing er schon das Politisieren an, und für gewöhnlich wurde er der Wortführer«, schreibt Hanisch später in seinen Erinnerungen. Hitler hielt Hanisch entgegen, dass er nur malen könne, wenn er sich in entsprechender Stimmung befinde, er sei »kein Kuli, der auf Bestellung arbeite«. Schließlich überwarfen sich Hitler und Hanisch, angeblich, weil Hanisch die Gewinne nicht korrekt geteilt hatte. Hitler aber vermarktete sich nun in Eigenregie und konnte von den Einkünften leben. »Im Frühjahr 1913 trieb Hitler nach drei Jahren im Männerheim immer noch dahin – nicht mehr heruntergekommen und nur
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