Geheimnisse des 'Dritten Reichs'
genoss die Früchte der Macht sichtlich. In welchem Umfang er das tat, ist tatsächlich eines der Geheimnisse der Nazi-Diktatur.
Das träge Leben
»Ich werde meine Pläne nie an einem Mangel an Geld scheitern lassen!« Mit dieser Maxime wandte sich Adolf Hitler kurz nach dem Amtsantritt als Reichskanzler gegen die Sparappelle seines Finanzministers Lutz Graf Schwerin von Krosigk.
»Mir wurde gähnend übel bei dem Gedanken, als unfreier Mann einst in einem Büro sitzen zu dürfen, nicht Herr sein zu können der eigenen Zeit.«
Hitler, Mein Kampf
Hitler hatte es weit gebracht mit diesem Denken. Am Anfang seiner Karriere habe bittere Armut gestanden – so will es Hitler dem Leser in seinem autobiografischen Werk Mein Kampf weismachen, wenn er über die Jahre 1907 bis 1913 berichtet. »Wien aber war und blieb für mich die schwerste, wenn auch gründlichste Schule meines Lebens«, schrieb Hitler und berichtet von Jahren der Entbehrung und des Elends. Tatsächlich – er hatte in Männerwohnheimen gehaust und war für einige Monate Ende 1909 »ganz unten« gewesen. Doch diese Phase des Elends war selbst verschuldet, denn der junge Adolf Hitler zeigte keinerlei Neigung, einem regelmäßigen Broterwerb nachzugehen. Er sah sich als Künstler und – nach der Ablehnung seines Aufnahmegesuchs durch die Wiener Kunstakademie Ende 1907 – als verkanntes Genie. Diese Einstellung machte es ihm schwer, sich mit dem Gedanken an prosaische Tätigkeiten anzufreunden, um den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Zumal im ersten Jahr seines Wienaufenthalts ohnehin keine Geldsorgen auf ihm lasteten. Er bezog nach dem Tod seines Vaters eine Waisenrente und verfügte nach dem Tod der Mutter im Dezember 1907 über ein kleines Erbe – 1200 Kronen reichten für ein Jahr in Wien, ohne arbeiten zu müssen. Und genau das tat Hitler, er lebte von der Substanz und widmete sich den Dingen, die er liebte. Hohe Eintrittspreise hielten ihn nicht davon ab, häufig in der Hofoper den Werken seines Lieblingskomponisten Wagner zu lauschen.
Bei den ersten Vorträgen, die ich Hitler in Etatsangelegenheiten zu halten hatte, stieß ich auf eine merkwürdige Befangenheit. Sie stammte wohl daher, daß er mich noch nicht kannte und allen finanziellen Fragen eine ausgesprochene Abneigung entgegenbrachte.
Lutz Graf Schwerin von Krosigk, deutscher Finanzminister 1933 bis 1945
»Ich werde meine Pläne nie an einem Mangel an Geld scheitern lassen«: Reichsfinanzminister Lutz Graf Schwerin von Krosigk (rechts) wurde von Hitler weitgehend ignoriert.
ullstein bild, Berlin (Max Ehlert)
Er teilte ein bescheidenes Zimmer mit seinem Freund Gustl Kubizek und beeindruckte diesen durch Vorträge über Architektur, Kunst, Musik. Er begann ein Theaterstück zu schreiben, versuchte sich an Architekturentwürfen und Bühnenbildern – und brachte nichts zu Ende. »Dem jungen Hitler waren systematische Vorbereitung und harte Arbeit so fremd wie dem späteren Diktator. Statt dessen verbrachte er die meiste Zeit dilettierend, wie schon zuvor in Linz, entwarf grandiose Projekte, die allein der willige Kubizek vernahm – ›phantastische‹ Pläne, die für gewöhnlich aus plötzlichen Launen und glänzenden Ideen entstanden und kaum geboren, wieder fallengelassen wurden«, schreibt Ian Kershaw und spricht von einer »Trägheit des Lebensstils«. Kershaw konstatiert, dass Hitler nichts getan habe, um ernsthaften beruflichen Ehrgeiz zu dokumentieren: »Zu dieser Zeit unternahm Hitler nichts, um durch Arbeit den Lebensunterhalt selbst zu verdienen.« Er schlief lange, spazierte durch die Gärten von Schloss Schönbrunn und beschloss viele Tage mit einem Opernbesuch. Er lebte das Leben eines Bohemiens – gewiss nichts Verwerfliches für einen jungen Mann auf der Suche nach Orientierung. Später aber stellte sich Hitler als Opfer verknöcherter Strukturen dar, die Talenten wie ihm keine Chance boten; er sei zu einem harten Überlebenskampf gegen widrige Verhältnisse gezwungen gewesen. Doch das war eine Legende, mit der er in Mein Kampf das Bild vom zähen Aufsteiger vermitteln wollte.
»Der junge, dandyhafte Hitler verachtete die Vorstellung, für das täglich Brot zu arbeiten.«
Ian Kershaw, Hitler, 1889–1936
»Wien, die Stadt, die so vielen als Inbegriff harmloser Fröhlichkeit gilt, als festlicher Raum vergnügter Menschen, ist für mich leider nur die lebendige Erinnerung an die traurigste Zeit meines Lebens.«
Hitler, Mein Kampf
Sein Freund Kubizek stammte
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