Geheimnisse des 'Dritten Reichs'
Thesen ließen sich keine Belege finden – im Gegenteil: Das Ergebnis war für Himmler frustrierend. Es kam heraus, dass nicht Kirchenleute oder gar Juden, Bolschewisten oder Freimaurer unschuldige Frauen als Hexen denunziert hatten. Die Verdächtigungen kamen in der Regel aus dem Volk – von Dorfbewohnern oder missgünstigen Nachbarn, die offene Rechnungen zu begleichen hatten. Mit diesen Denunzianten wollten sich die Hexenforscher aber nicht auseinandersetzen, weil sie damit das Ideal der Volksgemeinschaft ins Wanken gebracht hätten. Einen Erfolg konnte Himmler allerdings für sich persönlich verbuchen. Schon ein Vetter Himmlers, SS-Untersturmführer Wilhelm August Patin, hatte immer gern erzählt, dass eine Urahnin Himmlers als Hexe verbrannt worden sei. Sie habe Passaquay geheißen. Beweise aber fehlten. 1939 fanden Himmlers Forscher in der Ahnenreihe des »Reichsführers SS« für das Jahr 1684 nun eine Margareth Himbler aus Markelsheim, die am 4. April 1629 als Hexe verbrannt wurde. Heydrich persönlich teilte dem SS-Chef 1939 die frohe Botschaft mit. Wie Himmler sie aufnahm, ist nicht bekannt. Bis heute ist unklar, ob die Dame tatsächlich eine Vorfahrin Himmlers war.
»Unmenschlich angegriffen«: Auf standardisierten Erhebungsbögen vermerkten die Mitarbeiter des »Hexensonderauftrags« zehntausende Fälle von Hexenverfolgung.
Bundesarchiv Koblenz (N.N.)
Drahtzieher des Holocaust
Man könnte über obskure Forschungsaufträge wie Himmlers »Hexensonderauftrag« lächeln, wenn seine Obsession mit dem Germanentum nicht andernorts solch mörderische Konsequenzen gehabt hätte. Jahrzehntelang haben Historiker in aller Welt nach einem Befehl Hitlers für den Holocaust gesucht. Ein entsprechendes Dokument wurde nie gefunden. Auch die Frage, wann und an wen er ergangen sein könnte, ist unklar. Doch war es überhaupt Hitler, der den Befehl erteilte? Der Historiker Peter Longerich sieht einen ganz anderen am Werk: Heinrich Himmler. Und er glaubt, dass der Judenmord für Himmler gar nicht Zweck, sondern nur Mittel zum Zweck war, um seine eigene Macht im »Dritten Reich« auszubauen. Und die wollte er nutzen, um eine neue Herrschaftsordnung unter Führung der SS zu errichten.
Die Idee einer deutschen Siedlung im Osten beschäftigte Himmler bereits seit dem 1920er-Jahren, der »Artamanenbund«, zu dem er seit 1927 Kontakt hielt, bestärkte ihn darin. In seiner Utopie sah der »Reichsführer SS« eine schöne arische Welt vor sich, ein »großgermanisches Imperium«. Ihm schwebte ein Ring von »hundert Millionen germanischen Bauern« vor, die um das bestehende Deutschland herum angesiedelt werden sollten, um »dann den Weg zu einer von uns schon einmal innegehaltenen Weltherrschaft wieder zu beschreiten«. Himmler war allerdings davon ausgegangen, dass es Generationen dauern würde, sie zu erschaffen. Zwar rechnete er schon viel früher mit kriegerischen Auseinandersetzungen, bei der es um Weltanschauungen ging. »Denn für Himmlers ideologische Vorstellungswelt scheint die Idee fundamental gewesen zu sein, dass es eine höhergestellte, nordische oder germanische Rasse gebe, die sich, als führendes Volk der ›weißen Rasse‹ und damit auch stellvertretend für die gesamte Menschheit, in einem Jahrtausende währenden Kampf mit rassisch minderwertigen Gegnern befinde«, schreibt Peter Longerich.
»Diese Konfliktsituation laufe auf eine finale Auseinandersetzung zwischen den rassisch Höherstehenden beziehungsweise den ›Germanen‹ und ihren minderrassigen Gegnern hinaus, drastisch ausgedrückt: auf einen ›Kampf zwischen Menschen und Untermenschen‹.« Dass Hitler die Welt schon ab September 1939 mit Krieg überziehen würde, kam für Himmler etwas überraschend. Doch er nutzte den Krieg geschickt, um seine Ideologie in die Tat umzusetzen und seine Machtbasis auszubauen.
»Das großgermanische Reich sollte nicht einfach ein um Annexionsgebiete vergrößertes Großdeutsches Reich sein, sondern ein qualitativ neues, supranationales und totalitär regiertes Herrschaftsgebilde, das konsequent auf einer rassischen Hierarchie aufgebaut war.«
Peter Longerich, NS-Forscher
Beim Überfall auf Polen war Himmlers SS zunächst damit beauftragt, für die polizeiliche Sicherung der besetzten Gebiete zu sorgen, dabei hatte Hitler »größte Härte« verlangt. Mit äußerster Brutalität gingen Himmlers Einsatzgruppen nun daran, das »führende Polentum« zu liquidieren. Zehntausende katholischer und jüdischer Polen
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