Geheimnisse des 'Dritten Reichs'
Alliierten zu schützen. Slawa, von den Deutschen Schlesiersee genannt, lag in Niederschlesien, etwa vier Stunden östlich von Berlin. Hier fand der Bibliothekar 140000 Bücher und Akten, die sich mit Strafverfolgung ab dem 13. Jahrhundert befassten, insbesondere mit Hexenprozessen. Beim Blättern fielen ihm jede Menge »angekreuzte Stellen« auf, »wo die verschiedenen Foltermethoden beschrieben sind«. Auf Tausenden von Karteikarten waren akribisch die Namen vermeintlicher Hexen vermerkt, die Methoden der Folter, mit denen sie verhört wurden, die erpressten Geständnisse, die Art der Hinrichtungen. Auf den Akten prangte der Vermerk: »H-Sonderauftrag des RFSS«, des »Reichsführers SS« Heinrich Himmler. Wollte der Chef der SS von den Foltermethoden des Mittelalters lernen, um sie in den Konzentrationslagern anwenden zu können, wie der Bibliothekar zunächst vermutete? Die Wahrheit erweist sich als vielschichtiger.
»Ideologisches Zentrum« Die Wewelsburg bei Paderborn sollte der spirituelle Mittelpunkt des SS-»Ordens« werden.
Bundesarchiv Koblenz (Bild 146-1977-095-02)
»Schwarze Sonne«: Der sogenannte »Obergruppenführersaal« im Nordturm der Wewelsburg mit dem im Boden eingelassenen zwölfspeichigen Sonnenrad.
Wikipedia
»Skurrile Weihestunde«: Die SS-Führung bei der Gedenkfeier zum 1000. Todestag von Heinrich I. in Quedlinburg am 2. Juli 1936.
ullstein bild, Berlin (N.N.)
Himmlers Interesse an der Geschichte der Hexenprozesse hing wie so vieles mit seiner Faszination für das Germanentum zusammen. Er sah in den angeklagten Hexen weise germanische Frauen, die von der katholischen Kirche mit der Absicht verfolgt wurden, die germanische Volkskultur zu vernichten. In diesem Glauben lag Himmler auf der gleichen Linie wie der NS-Ideologe Alfred Rosenberg. Entrüstet konstatierte Himmler, die Hexenverfolgungen hätten »das deutsche Volk Hunderttausende von Müttern und Frauen gekostet«. Dabei sah er die Kirche im Bunde mit dem Judentum, das seiner Weltanschauung nach ohnehin in jede Verschwörung gegen das deutsche Volk verwickelt war. Zumal Juden von Hexenprozessen weitgehend verschont geblieben waren.
Als Himmlers Theorien Kirchenvertretern zu Ohren kamen, hagelte es Proteste. Der Streit eskalierte, als der Reichsnährstand den »germanischen Bauernkalender« 1935 herausgab. In dem Kalender wurde gezielt auf die Nennung kirchlicher Feste und der Namenstage von Heiligen verzichtet. Stattdessen stand unter dem Stichwort »Karfreitag«, einem der höchsten kirchlichen Feiertage, an dem des Todes Jesu Christi gedacht wird: »Gedenken an die 4500 von Karl dem Schlächter ermordeten Sachsen und an die neun Millionen anderen ermordeten, totgefolterten und verbrannten Rechtskämpfer, Glaubenshelden, Ketzer und Hagdisen (Hexen)«.
»In den Hexenprozessen sehen wir Kämpfer des neuen Deutschlands den Ausdruck des Vernichtungswillens gegen hochwertiges Rassengut, vor allem gegen die deutsche Frau und Mutter.«
Aus: Durchbruch, Kampfblatt für Deutschen Glauben, Rasse und Volkstum, 16. September 1937
»Vernichtung hochwertigen Rasseguts«?: Hexenverbrennung in Derneburg (Harz) im Oktober 1555. Holzschnitt aus dem 16. Jahrhundert.
bpk – Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte, Berlin (N.N.)
Hier wurden also die Hexen in die Reihe der Kämpfer und Märtyrer um das Germanentum aufgenommen. Nun gingen die Kirchenvertreter endgültig auf die Barrikaden und brandmarkten diese Art von Behauptungen als »historischen Unsinn« und »antichristlichen Fanatismus«. Himmler konterte auf dem Reichserntedankfest in Goslar 1935 und äußerte sich erstmals öffentlich zum Thema Hexen: »Wir können in vielen Fällen nur ahnen, daß hier unser aller ewiger Feind, der Jude, in irgendeinem Mantel oder durch irgendeine seiner Organisationen seine blutige Hand im Spiel hatte. … Wir sehen, wie die Scheiterhaufen aufloderten, auf denen nach ungezählten Zehntausenden die zermarterten und zerfetzten Leiber unserer Mütter und Mädchen unseres Volkes im Hexenprozeß zu Asche brannten.«
»Man kann die Opfer nicht zählen, die in diesen Jahrzehnten nach namenlosen Qualen und Folterungen ›zur höheren Ehre Gottes‹ auf Scheiterhaufen geschleppt und verbrannt wurden.«
Aus dem Schulungsmaterial für SS-Führeranwärter, 1942/43
Der Anlass war bewusst gewählt: Das Fest diente dazu, auf der Grundlage der Blut-und-Boden-Ideologie die Bedeutung der Bauernschaft für das Reich hervorzuheben und die Landbevölkerung an
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