Geheimnisse des 'Dritten Reichs'
Parteigenossinnen, die die Bewegung gehalten haben.
Hitler, 1935
Auch Elsa Bruckmann gehörte in Landsberg zu Hitlers Besucherinnen, auch darin wetteiferten die Damen um Hitler. Stolz durfte sich die Verlegersgattin auf die Fahnen schreiben, Hitler als Erste in der Festung aufgesucht zu haben. Über ihre »erste Fahrt zum Führer, erlebt: Mai 1924« verfasste sie gleich einen sechs Seiten langen Bericht. »Im Mai 1924 war es – da fuhr ich zum Führer, fuhr in die Festung nach Landsberg, den ich so oft und oft gehört, dessen Reden mir einen Glauben gegeben, mir eine neue deutsche Welt aufgebaut hatten«, heißt es darin. »Drei Stunden war ich die armseligen fünfzig Kilometer gefahren. Zwei Stunden hatte ich jetzt im öden Gang zu warten! Die zwölf Minuten, die mir gewährt worden waren, den Führer zu grüßen, wollte ich bittend verlängern … Und nun trat mir, in der bayerischen kurzen Wichs und gelbem Leinenjöpperl – Adolf Hitler entgegen … Er führte mich in einen kleinen, etwas düsteren Raum, in dem wir an einem viereckigen Tisch uns gegenübersaßen, die Kriminaler dazwischen. … Und die heilige Versicherung legte ich in seine Hände, daß tiefe Treue ihn erwarte, wenn seine Haft zu Ende ging – Treue bis zum letzten Atemzug.«
Ich muß gestehen, daß ich sofort einen sehr großen und tiefen Eindruck von dem Mann hatte als Persönlichkeit. Das Auge war vor allen Dingen ungeheuer anziehend, ganz blau, und ein großes, ausdrucksvolles Auge.
Winifred Wagner
Hitlers Besucherliste während seiner Haftzeit in Landsberg liest sich wie das »Who’s who« der feinen Münchner Gesellschaft. Beinahe täglich erhielt der Insasse Pakete mit Delikatessen und Luxusgegenständen von seinen meist weiblichen Spendern. Auch Winifred Wagner, Schwiegertochter des von Hitler verehrten Komponisten Richard Wagner, gehörte zu dem Kreis der freigiebigen Gönnerinnen.
»Echte deutsche Volksseele«: Siegfried und Winifred Wagner Ende der 1920er-Jahre.
ullstein bild, Berlin (BPK/Willy Römer)
Bei einem Empfang der Bechsteins war Hitler der »hohen Dame« vorgestellt worden. Am 1. Oktober 1923 wurde der Polit-Agitator in das »Haus Wahnfried« nach Bayreuth eingeladen. Voller Ehrfurcht betrat Hitler das »Allerheiligste«: »Er geht auf Zehenspitzen umher und bleibt wie gebannt vor den einzelnen Andenken stehen, als besichtige er die Reliquien einer Kathedrale«, beschrieb Friedelind Wagner den Besuch später voller Ironie. Dass Hitler im »kurzen Wichs«, also in kurzer Lederhose, im Haus des Komponisten erschien, konnte Winifred offenbar nicht schrecken. Nach seinem Besuch schwärmte sie von seinen Augen und bezeichnete ihn als »Retter Deutschlands«. Auch Siegfried Wagner, ihr Ehemann, schien für den Parteiführer Feuer gefangen zu haben: »Gottlob gibt es noch deutsche Männer«, schrieb er kurz darauf an einen Bekannten. »Hitler ist ein prachtvoller Mensch, die echte deutsche Volksseele. Er muß es fertigbringen.« Die Freundschaft zu den Wagners war für Hitler von besonderer Bedeutung – nicht nur, weil er Richard Wagner verehrte. Fortan umgab den Parteiführer ein Hauch von Geistesadel, den Hitler propagandistisch stets hervorzuheben wusste. Als die Wagners am 9. November 1923 zufällig in München weilten und Zeuge des gescheiterten Staatsstreichs Hitlers wurden, tat dies ihrer Verehrung für den Parteiführer keinen Abbruch: »Ich gebe unumwunden zu, daß auch wir (die Wagners) unter dem Banne dieser Persönlichkeit stehen, daß auch wir in den Tagen des Glücks zu ihm standen, nun auch in den Tagen der Not ihm die Treue halten«, bekannte Winifred Wagner in einem offenen Brief, der am 14. November 1923 in der Oberfränkischen Zeitung erschien. Tatsächlich sorgte sich Winifred geradezu rührend darum, Hitlers Haftzeit in Landsberg so angenehm wie möglich zu gestalten. Neben Esspaketen und warmherzigen Briefen schickte sie ihm Papier und Stifte für sein Buchprojekt, das als Mein Kampf bekannt werden sollte. Als 1924 nach zehnjähriger Pause zum ersten Mal wieder die Bayreuther Festspiele stattfanden, saß Hitler noch in Festungshaft. Doch schon ein Jahr später war er »Ehrengast« in Bayreuth. Gerade einmal neun Monate von fünf Jahren Festungshaft hatte Hitler absitzen müssen. Nach seiner Entlassung aus Landsberg wurde das Verhältnis zu den Wagner-Erben intensiver. »Wolf«, wie Hitler genannt wurde, machte auf den langen Fahrten zwischen München und Berlin häufig Station im »Haus Wahnfried«,
Weitere Kostenlose Bücher