Geheimnisse des Himmels
Stillstand gekommen. Einen Moment lang hielt sie den Atem an und lauschte angestrengt, was draußen vor sich gehen könnte. Dann wurde die Tür geöffnet.
Zu Kaithlyns Erleichterung war es Mr Aveda.
„Es sieht so aus als kämen wir hier nicht weiter, Relia.“
Ihre Tante runzelte die Stirn.
Kaithlyn lehnte sich nach vorne und versuchte an Mr Aveda vorbei zu spähen. Kaine war von seinem Pferd gestiegen und wanderte an einer unsichtbaren Linie entlang. Er sah ziemlich wütend aus.
„Bannkreis“, murmelte er leise vor sich hin. Kaithlyns Tante stieg aus, doch als Kaithlyn ihr folgen wollte, hielt sie sie zurück und sagte barsch:
„Sitzen bleiben!“
Mrs Abadon ging zusammen mit Mr Aveda hinüber zu Kaine. Relia begutachtete nun eine Stelle einige Meter vor der Kutsche. Aus Kaithlyns Sichtwinkel – sie presste das Gesicht an die Fensterscheibe – sah es aus als fixierte sie einen unbestimmten Punkt in der Luft.
Ein Bannkreis? Kaithlyn wurde neugierig. Sie konnte dort, wo die anderen hinsahen, nichts erkennen. Sie wagte sich vor und steckte den Kopf langsam aus der Kutschentür, um besser sehen zu können, was die anderen taten. Mrs Abadon und Mr Aveda tauschten Blicke. Kaine seufzte schwer. Niemand achtete auf sie.
„So wie ich ihn kenne, hat er den Brief mit Sicherheit nicht rechtzeitig weitergegeben“, sagte Kaine und ein Anflug von Hass lag in seiner Stimme.
„Wer?“, fragte Mr Aveda interessiert. Kaithlyn hielt es nicht mehr aus. Sie stieg aus der Kutsche. Der Boden war matschig und nass und ihre Füße versanken im Schlamm. Sie ging zu den anderen hinüber und sah auf die Stelle, auf die alle ihre Blicke geheftet hatten. Da war noch immer nicht das Geringste zu erkennen.
„Kaithlyn!“, sagte ihre Tante, die sie nun bemerkt hatte.
„Was ist denn los? Warum geht es nicht weiter? Was ist dort?“
Vor ihnen lag ein holpriger Weg. Soweit Kaithlyn erkennen konnte, war dort weder ein Hindernis, das die Weiterfahrt verzögerte, noch sonst ein sichtbares Problem. Die Pferde vor der Kutsche schnauften laut und scharrten mit den Hufen. Mr Aveda lächelte Kaithlyn verständnisvoll an. Kaithlyn fühlte sich dadurch dumm und unbeholfen, auch, wenn dies von Rose´ Vater nicht beabsichtigt gewesen war.
„Vor uns befindet sich ein Bannkreis“, sagte er sachlich. Als er Kaithlyns ratlose Miene sah, begann er zu erklären.
„Ein Bannkreis ist ein magischer Schutzkreis, der stärksten Sorte, der es nur bestimmten Personen erlaubt, das Gebiet, welches vom Kreis umschlossen wird zu betreten.“
„Ich sehe dort nichts. Und außerdem sollte dort nicht jemand auf uns warten? Warum ist dann der Durchgang dann versperrt?“
Kaithlyn wandte sich kurz zu ihrer Tante; sie schien angestrengt nachzudenken.
„Was passiert, wenn wir einfach durchgehen?“
Kaine lachte kurz auf. Kaithlyn warf ihm einen finsteren Blick zu.
„Es kommt darauf an, wie der Bannkreis eingerichtet ist, doch dies ist schier unmöglich mit bloßem Auge zu erkennen. Wie du selber sagst, sieht man nichts. Es ist mehr wie eine Luftbarriere aus unsichtbarer Materie. Wenn man so etwas öfters erlebt, entwickelt man ein gewisses Gespür dafür“, sagte Mr Aveda sofort.
„Sie kennen sich also damit aus?“
Mr Aveda lief leicht rosa an.
„Ein wenig.“
Die Zeit verstrich in endlos langen Sekunden. Kaithlyn bemühte sich leise zu sein. Sie ging ein Stück hin und her, wippte auf den Füßen auf und ab und wartete darauf, dass die Erwachsenen etwas taten, das sie weiter brachte.
„Kaithlyn“, Mrs Abadon drehte sich zu ihr um.
„Das Amulett, hast du es dabei?“
„Ähm…ja…kann es helfen?“
Kaithlyn zog es unter ihrer Jacke hervor. Es reflektiere das dumpfe Licht, das durch die vielen Bäume drang.
„Komm mal her.“
Ihre Tante winkte sie herbei. Sie beäugte Kaithlyn. Ihre Augen blieben am Amulett hängen.
„Ich denke du könntest ihn vielleicht betreten.“
Sie schürzte die Lippen
„Mh“, machte sie leise.
„Ich?“, stutze Kaithlyn.
„Ich kenne mich damit doch gar nicht aus.“
„Das macht nichts. Dieses Amulett wird dich beschützen.“
Kaithlyn sah ihre Tante ungläubig an.
„Wirklich?“
Kaithlyn hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, ob dieses Amulett Kräfte besaß oder nicht. Sie wusste eigentlich noch nicht einmal genau, von wem sie es hatte. Sie wusste nur, dass es das Einzige war, was zusammen mit ihr, in der Nacht, in der ihre Eltern sie verlassen hatten, seinen Weg zu Relia gefunden
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