Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
menschenverachtenden Regime und manche für ihre von den Kämpfen erschöpften Soldaten und die vom Krieg gebeutelte Zivilbevölkerung.
»Regierungszentrale light«: Die »Kleine Reichskanzlei« in Bischofswiesen war als Ausweichquartier für den NS-Machtapparat konzipiert. Foto von 1937.
BPK, Berlin (Bayerische Staatsbibliothek/Archiv Heinrich Hoffmann)
Starrsinn bis zum letzten Mann
Seit dem 15. April war Feldmarschall Albert Kesselring als Oberbefehlshaber im Süden mit allen Vollmachten ausgestattet, sofern das Reich durch den Vormarsch der Alliierten in zwei Teile geteilt und der »Führer« in Berlin bleiben würde. Beides war spätestens am 25. April der Fall. Mit den Befehlen zur Bildung der »Alpenfestung« begann der Wettlauf der deutschen Verbände in Bayern und Norditalien mit den acht amerikanischen Armeekorps im Süden. Ihr gemeinsames Ziel: die Festung in den Alpen.
Wichtig ist vor allem die Fanatisierung des Kampfwillens im Südraum.
Feldmarschall Kesselring am 26. April 1945
Als Erstes traf es einen Ort von besonderer Symbolkraft. Am 25. April kreisten alliierte Bomber über Hitlers Adlerhorst. Um 10 Uhr brach die Hölle los, kurz vor 12 Uhr war alles vorbei. An diesem klaren Frühlingstag war Hitlers Wahlheimat ein einfaches Ziel, die Nebelfässer, die bislang für Tarnung gesorgt hatten, waren leer. Die deutsche Flak war nach ein paar Schuss ausgeschaltet. Die vermutete Zufluchtsstätte des »Führers« auf dem Obersalzberg wurde in zwei Angriffswellen dem Erdboden gleichgemacht. Nur die unterirdischen Schutzkeller trotzten der Wucht der Bomben. Nicht nur hier drangen amerikanische, britische und französische Truppen vor. Die Deutschen hatten den Wettlauf verloren, bevor er richtig begonnen hatte.
Längst war dem deutschen Oberkommando klar, dass die vorgebliche Stärke der eigenen Truppe eine Illusion war. »Die zahlreichen Divisionen in der Lagekarte von Hitler waren wohl ihrer Nummer nach vorhanden«, hieß es in schonungsloser Offenheit. Tatsächlich erreichten die Divisionen bestenfalls noch Bataillonsstärke. Und die Soldaten waren seit Wochen im Einsatz, abgekämpft, desillusioniert und kriegsmüde. Wie weite Teile der Zivilbevölkerung hatten sie nur noch ein Interesse: den Krieg irgendwie zu überleben.
Endlich versuchten auch hohe Militärs und NS -Funktionäre, ein baldiges Ende der Kämpfe herbeizuführen: Bereits seit März hatte Allen Dulles über seinen deutschen Vertrauten Gero von Schulze-Gaevernitz Kontakt zu General Wolff geknüpft. Als »höchster SS - und Polizeiführer und bevollmächtigter General der Wehrmacht für das rückwärtige Frontgebiet« war er einer der mächtigsten Männer südlich der Alpen. Am 8. März trafen sich der deutsche SS -General und der amerikanische Geheimdienstmann erstmals in der neutralen Schweiz. Wolff bot an, mit den ihm unterstellten SS -Streitkräften in Italien zu kapitulieren. Und noch mehr: Er wolle versuchen, auch Kesselring zur Kapitulation zu bewegen. Seine Motivation: Der Krieg sei verloren. Ihm gehe es darum, weiteres Blutvergießen zu verhindern. Auf alliierter Seite liefen diese Geheimgespräche unter dem Decknamen »Operation Sunrise«.
Hier führte in den letzten Kriegstagen im April 1945 der Leidensweg der Häftlinge aus dem Konzentrationslager Dachau vorbei ins Ungewisse.
Inschrift auf 17 Denkmälern u. a. in Gauting und Wolfratshausen zum Gedenken an den Evakuierungs- und Todesmarsch der KZ-Opfer, die als Geiseln in die »Alpenfestung« gebracht werden sollten.
»Fanatisierung des Kampfwillens«: Generalfeldmarschall Albert Kesselring (im Wagen) hatte im »Südraum« die Handlungsvollmacht Hitlers. Foto von Februar 1945.
BPK, Berlin (Bayerische Staatsbibliothek/Archiv Heinrich Hoffmann)
»Ort von besonderer Symbolkraft«: US-Soldaten vor den Überresten des großen Panoramafensters im zerstörten Berghof Hitlers.
Getty Images, München (Hulton Archive/Keystone)
»Der Krieg ist verloren«: SS-General Karl Wolff (rechts, hier mit Hitler im April 1944) verhandelte ab März 1945 mit den Amerikanern.
Ullstein Bild, Berlin (Walter Frentz)
Im Verlauf der weiteren Gespräche wurde SS -General Wolff auch von Gauleiter Franz Hofer unterstützt. Zeigte Wolff einen Rest von Verantwortungsgefühl und wollte sinnloses Töten vermeiden, so handelte Hofer aus eigennützigen Beweggründen. Er hoffte, für seine Tiroler Heimat einen Sonderstatus aushandeln zu können. Kapitulation gegen Autonomie – so lautete der Kuhhandel,
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