Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
Collection)
Mehr Glück hatten andere Flüchtlingsgruppen. Zum Beispiel Wernher von Braun und seine Mitarbeiter. Der Vater der »Wunderwaffe« V2 war mit seinem Team und wichtigen Forschungsdokumenten Anfang April in den Alpen angekommen. Bereits im Sommer 1944 war der Windkanal von Peenemünde nach Kochel am See transportiert worden. Das Walchenseekraftwerk lieferte den Forschern die enormen Energiemengen für ihre Überschallwindkanalanlage. Von Braun sollte hier weiterforschen. Doch der Wissenschaftler verfolgte andere Ziele.
Oberammergau, der Passionsspielort im oberbayerischen Ammertal, wurde zu einer »Sammelstation für ›Absetzer‹«, wie selbst der Flugzeugkonstrukteur Ludwig Bölkow zugab. Von hier aus zog es von Braun weiter nach Garmisch, wo er sich am 12. Mai 1945 mit seinem Team den US -Streitkräften stellte. Schon bald wurde er zu einem der wichtigsten »Paperclip-Boys«. So nannten die Amerikaner die deutschen Wissenschaftler, die sie mit einem Paperclip, einer Büroklammer, auf internen Listen gekennzeichnet hatten. Die Siegermächte wussten, dass die Besiegten bei Raketen und Strahltriebwerken einen jahrelangen Forschungsvorsprung hatten. Die Amerikaner wollten von diesem Wissen profitieren – und gleichzeitig dem Noch-Bündnispartner in Moskau zuvorkommen.
Otto Skorzeny ging den Amerikanern eine
Woche nach Kriegsende ins Netz.
Ullstein Bild, Berlin (TopFoto)
»Genügend Truppen im Anmarsch«: der
Wiener Gauleiter Odilo Globocnik.
BPK, Berlin (Bayerische Staatsbibliothek/
Archiv Heinrich Hoffmann)
Robert Ley, Führer der »Deutschen Arbeitsfront«, versuchte, in Zivil und unter falschem Namen im Alpenraum unterzutauchen.
Ullstein Bild, Berlin (dpa)
»Operation Paperclip«: Deutsche Wissenschaftler wie der Raketenfachmann Wernher von Braun (mit Gipsarm) konnten ihre Karriere in den USA nahtlos fortsetzen.
Ullstein Bild, Berlin (N.N.)
So war Wernher von Braun einer von mehr als 120 deutschen Wissenschaftlern, die kurz nach Kriegsende nach Amerika reisten – nicht als Gefangene, die für ihr Tun im Dienst eines menschenverachtenden Regimes bestraft werden sollten, sondern als geachtete Forscher, die ihre Arbeit fortsetzen konnten.
Der einzige Plan, der bestanden hat, war der, dass von Braun gesagt hat, dass man sich von den Russen so weit als möglich absetzt und zu den Amerikanern geht.
Walter Jacobi, Raketeningenieur
Für Wernher von Braun erfüllte sich der Traum, den Franz Hofer mit seiner »Alpenfestung« geträumt hatte: Sein Wissen war das Faustpfand, das ihm auch nach dem Krieg eine Karriere ermöglichte. Und der deutsche Raketenmann war nicht der Einzige, dem dies gelang.
»Eine Goldmine, die wir aufgetan haben«
Bereits im Februar 1945 hatte die Abteilung Fremde Heere Ost, der militärische Nachrichtendienst der Wehrmacht, in Bad Reichenhall Quartier bezogen. Ihr Chef, Wehrmachtsgeneral Reinhard Gehlen, hatte seine Familie im Bayerischen Wald in Sicherheit gebracht. Er selbst verfolgte einen besonderen Plan. Gemeinsam mit zwei Vertrauten hatte er am 4. April den »Pakt von Bad Elster« geschlossen. Gemeinsam wollten sie ihr Wissen dem bisherigen Kriegsgegner USA andienen. Gehlens Theorie: »Die Westmächte werden sich gegen den Verbündeten Russland wenden. Dabei werden sie mich, meine Mitarbeiter und meine kopierten Dokumente im Kampf gegen eine kommunistische Expansion benötigen.« So wie Wernher von Braun seine Kenntnisse in der Raketenforschung mitbrachte, konnte Gehlen Analysen über die Sowjetunion und ihr Agentennetz als Antrittsgeschenk anbieten.
Anfang März 1945 ließ Gehlen die gesamten nachrichtendienstlichen Materialien auf Mikrofilm kopieren. 50 Stahlkoffer wurden im April auf der Elendsalm am Spitzingsee vergraben. Ende April setzten sich die Geheimdienstoffiziere ins Gebirge ab. Gehlen kannte die Gegend gut, hier hatte er in den 1920er-Jahren Skifahren gelernt. Hier warteten sie in Almhütten auf das Kriegsende. Zwölf Tage nach der Kapitulation Hitlerdeutschlands ließ sich Gehlen von einem US -Militärkommando festnehmen. Was ihn störte: »Als Generalmajor in einer wesentlichen Stellung während des Krieges musste ich mich einem jungen amerikanischen Oberleutnant ausliefern.«
Um das notwendige Schlüsselpersonal für die spätere Arbeit sicherzustellen, wurden drei Gruppen gebildet, die sich an drei vorbereiteten Punkten in den Alpen so lange – etwa 3 Wochen – aufhalten sollten, bis das große Durcheinander, das bei Kriegsende zu erwarten
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