Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
»Rudolf-Heß-Gedenkmarsch« für eine bis dahin ungeahnte Mobilisierung und Vernetzung der rechten Szene in ganz Westeuropa. Nach 1989 verzeichnete die Bewegung dann starken Zuwachs aus dem Osten. Es war vor allem der Mythos Rudolf Heß, der für zahlreiche in die Freiheit entlassene Kinder des antifaschistischen Staats DDR zur »Einstiegsdroge« in den Rechtsradikalismus wurde – nicht zuletzt für die Protagonisten der Zwickauer Terrorzelle. Bei Uwe Mundlos, dem Kopf der Gruppe, stand schon bald nach der Wende ein Heß-Porträt auf dem Schreibtisch im Kinderzimmer des Jenaer Plattenbaus. Gemeinsam mit Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe marschierte er in den darauffolgenden Jahren in vorderster Reihe bei den Heß-Gedenkmärschen mit, ehe die drei Bombenbauer 1998 in den »Nationalsozialistischen Untergrund« abtauchten und ihre beispiellose Mordserie begannen.
Das Grab von Rudolf Heß in Wunsiedel, zu dem Jahr für Jahr immer noch Unverbesserliche gepilgert waren, ist seit dem Sommer 2011 verschwunden. Der Irrglaube, an dem Rudolf Heß bis zuletzt festgehalten hat, ist noch immer lebendig.
Verschwundene Pilgerstelle: Das Heß-Grab auf dem Stadtfriedhof in Wunsiedel vor (oben) und nach dem Juli 2011 (unten).
Picture Alliance, Frankfurt (David Ebener/dpa)
BPK, Berlin (N.N.)
Tödliche Missionen
I n den letzten Sekunden vor dem Aufprall war nur das scharfe Pfeifen des Windes zu hören – die neun Männer, die eng hintereinander im schmalen Rumpf des Lastenseglers hockten, zogen die Beine an und schlangen die Arme um den Oberkörper des Vordermanns. Für einen Moment war jeder ganz in sich gekehrt, schloss die Augen, biss die Zähne zusammen. »Achtung! Landung!«, brüllte der Pilot im nächsten Augenblick. Dann schlug die Kufe des Segelfliegers auf dem Boden auf, die Maschine raste knirschend über den grasbewachsenen Hang, um dann mit einem Ruck zum Stehen zu kommen, als sich der Bremsfallschirm öffnete. Der Segler kippte leicht zur Seite, in Sekunden hatten die Männer ihre Sitzgurte gelöst. Die große, mit Segeltuch bespannte Tür flog auf, und die Kämpfer sprangen heraus. Als einer der Ersten betrat SS -Hauptsturmführer Otto Skorzeny den Boden hinter dem Hotel »Campo Imperatore« auf dem Gran Sasso, dann folgten der italienische General Soleti und sieben Männer der SS -Spezialeinheit »Friedenthal«. Es war 14.05 Uhr, als am Sonntag, dem 12. September 1943, die »Operation Eiche« begann: das deutsche Kommandounternehmen zur Befreiung des italienischen Diktators Benito Mussolini – der war einige Wochen zuvor von den Italienern abgesetzt und inzwischen im Skihotel »Campo Imperatore« auf dem Bergmassiv des Gran Sasso in den Abruzzen interniert worden.
Ein erfolgreiches Kommandounternehmen ist insofern ungewöhnlich, als eine kleine Einheit einen viel stärkeren und gut gesicherten Gegner schlägt.
William McRaven, »Spec Ops«
Skorzeny sah sich nach der Landung kurz um – er nahm wahr, dass ein anderer Lastensegler beim Aufprall zerbarst. Doch acht weitere Maschinen schafften es, auf den kahlen Hängen rund um das Hotel Punktlandungen hinzulegen. Die zweite Maschine setzte neun SS -Männer ab, dann rauschten im Minutentakt sieben weitere Lastensegler mit insgesamt 63 Fallschirmjägern heran. Der SS -Offizier rannte an der Spitze seiner SS -Leute auf die große Apsis des Hotelblocks zu. Der italienische General, der mit Skorzenys Gruppe gelandet war, begleitete ihn und rief den Wachen am Hotel zu, nicht zu schießen. Und tatsächlich: Nicht ein einziger Schuss fiel. Die Wachmannschaften leisteten keinen Widerstand. Ein deutscher Fallschirmjäger hatte bereits das Gebäude erreicht, er beugte sich und bot Skorzeny seinen Rücken als Trittstufe an – so gelang es dem SS -Mann, die Empore an der Rückseite des Hotels zu erklimmen. Skorzeny befahl den Fallschirmjägern, draußen zu bleiben, und betrat mit einigen SS -Soldaten das Gebäude. Im zweiten Stock befand sich das Apartment, das der Gefangene Mussolini bewohnte – unbehelligt von den 73 Italienern, die ihn bewachen sollten, konnte Skorzeny zu ihm vordringen. Um 14.10 Uhr betrat er Mussolinis Räume und erklärte ihm, dass er nun »frei« sei und diese »Freiheit« seinem alten Weggefährten Adolf Hitler, dem »Führer« des Deutschen Reichs, zu verdanken habe. Der Raum füllte sich bald mit weiteren Deutschen und Italienern. Über Mussolinis Reaktion gibt es viele widersprüchliche Berichte, doch alle Beobachter sind sich darüber einig,
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