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Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)

Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)

Titel: Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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sensationsheischende Leserschaft konnte für drei Dollar studieren, dass 40 SS -Divisionen bereitstanden, die wild entschlossen waren, bis zum letzten Atemzug Widerstand zu leisten. Das US -Magazin Life vermutete sogar, dass sich 100 deutsche Divisionen in den Alpen verschanzt hatten. Fünf Jahre – so die düsteren Prophezeiungen im amerikanischen Blätterwald – würden die Elitetruppen aushalten können. Ihre Verpflegungsvorräte schienen unerschöpflich und der Kampfkraft der Deutschen keine Grenzen gesetzt zu sein. Vergleiche mit Monte Cassino wurden bemüht. In dem berühmt-berüchtigten Bergkloster war ein Jahr zuvor der alliierte Vormarsch in Italien zum Stehen gekommen. Nur unter enormen Verlusten war es den Angreifern gelungen, den Widerstand der deutschen Verteidiger zu brechen – mehr als die Hälfte der dort aufmarschierten 105000 alliierten Soldaten musste den Sieg mit dem Leben bezahlen.
    Hitlers letzte Zuflucht: Nazis scheinen sich zum Endkampf in die Alpen, das felsige Herz Europas, zurückzuziehen.
    US-Magazin »Life«am 9. April 1945
    Ein Jahr später befürchtete die Presse eine Wiederholung in der »Alpenfestung«. Ernsthafte Blätter wie die Zürcher Weltwoche kamen zum Ergebnis: »Die Festung Berchtesgaden ist keine Legende.«
    Warum aber fielen diese Gerüchte gerade in der Schweizer Presse auf einen solch fruchtbaren Boden, auf dem sie gedeihen konnten und immer neue Blüten trieben? Es war nicht nur die geografische Nähe zur vermuteten Gefahr, die diese Ängste wachsen ließ.
    Wer hat’s erfunden?
    Der englische Begriff »National Redoubt« weist nicht zufällig phonetische Ähnlichkeit zum »Réduit National« auf. Unter diesem Namen war in den Schweizer Zentralalpen zwischen 1940 und 1942 ein System massiver Befestigungsanlagen mit verzweigten Stollensystemen entstanden, mit dessen Hilfe im Fall eines deutschen Angriffs die letzte demokratische Bastion auf dem europäischen Kontinent verteidigt werden sollte.
    Das Réduit National war Helvetiens Antwort auf die Situation nach der Niederlage Frankreichs. Die kleine Alpenrepublik war nun vollständig von Nazi-Deutschland und seinen Verbündeten eingeschlossen. Die Befürchtung, nächstes Ziel der alles verschlingenden deutschen Militärmaschine zu werden, war keineswegs aus der Luft gegriffen. Unter dem Decknamen »Unternehmen Tannenbaum« hatte die NS -Führung Pläne entwickeln lassen, wie man dieses Sammelbecken, von dem aus »die größte Hetze gegen Deutschland betrieben wurde«, schlucken könne.
    Als Antwort auf diese Bedrohung entwickelte die Schweizer Armeeführung unter General Henri Guisan die sogenannte Réduit-Strategie. Sie stützte sich auf die Ende des 19. Jahrhunderts errichteten Festungen Sargans, St. Gotthard und St.-Maurice (Wallis). Mit erheblichem Aufwand – Schätzungen gehen von bis zu 750 Millionen Franken aus, was nach heutiger Kaufkraft etwa acht Milliarden Euro entspricht – wurden diese Festungen zu einem riesigen Stellungs- und Tunnelsystem ausgebaut, das sich zwischen Genfer See und Alpenrhein entlangzog. Hierher sollten sich die Schweizer Truppen zurückziehen und die strategisch wichtigen Übergänge der Alpen kontrollieren. Die Erben Wilhelm Tells setzten auf das Prinzip Abschreckung: Man würde aus den sicheren Stellungen dem Angreifer hohe Verluste zufügen. Der Aggressor sollte großen Aufwand betreiben müssen und keinen Nutzen von einem Angriff haben.

    Vorbild Schweiz: Auf der traditionellen Rütli-Wiese gibt der Schweizer Armeechef Henri Guisan im Juli 1940 die Schaffung des »Réduit National« bekannt.
    ETH-Bibliothek, Zürich/Bildarchiv
    Tatsächlich waren die Deutschen beeindruckt: Der Generalstab des Heeres stellte am 1. September 1942 zum Zustand des Schweizer Heeres fest: »Es ist bei starkem Ausbau der natürlichen Hindernisse des Landes in der Lage, sich im Hochgebirge längere Zeit zu halten.« Die Eidgenossen schufen den Mythos eines unbezwingbaren Alpenbollwerks. Tatsächlich imponierte das Réduit den Deutschen so sehr, dass sie die Finger von der wehrhaften Alpenrepublik ließen. Doch angesichts der guten finanzwirtschaftlichen Beziehungen zum »Dritten Reich« gab es auch andere Vermutungen für das Ausbleiben eines deutschen Angriffs: »Hitler wird doch nicht so dumm sein und seinen eigenen Goldtresor überfallen«, spotteten Kenner des Schweizer Bankgeheimnisses.

    »Prinzip Abschreckung«: General Henri Guisan war
der Schöpfer der Schweizer Réduit-Strategie.
    Süddeutsche

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