Geheimnisse einer Sommernacht
nützen. Mit schönen Kleidern, aber ohne Mitgift, bin ich auch nicht attraktiver.“
„Ach ja, Geld“, sagte Lillian so sorglos wie jemand, der genug davon besaß. „Sie werden mich bezahlen mit etwas, das viel wertvoller ist als Geld. Sie bringen mir und Daisy bei … etwas mehr wie Sie zu sein. Bringen Sie uns bei, wie man sich richtig benimmt, was man sagen darf und was nicht – eben all diese uns unbekannten Regeln, die wir anscheinend ständig brechen. Falls möglich, könnten Sie uns auch behilflich sein, eine Sponsorin zu finden. Dann werden uns alle Türen offen stehen, die uns gegenwärtig noch verschlossen sind. Und was Ihre fehlende Mitgift anbelangt … Bekommen Sie den Mann erst mal an die Angel. Wir drei werden Ihnen dann helfen, den Fisch an Land zu ziehen.“
Annabelle staunte. „Sie meinen es ja wirklich ernst.“
„Natürlich“, antworte Daisy. „Ich bin richtig erleichtert, dass wir eine Aufgabe haben und nicht mehr wie die Idioten hier an der Wand sitzen müssen. Lillian und ich, wir sind schon fast verrückt geworden, so langweilig war die Saison bislang.“
„I…Ich auch“, meldete sich Evie.
„Nun …“ Annabelle blickte zögernd von einer zur anderen. „Wenn drei willens sind, dann bin ich es auch. Aber wenn wir einen Pakt schließen, sollten wir ihn dann nicht mit Blut oder dergleichen besiegeln?“
„Um Himmelswillen, nein!“, protestierte Lillian. „Wir vier können uns doch einig sein, ohne uns zur Ader zu lassen.“ Sie deutete auf ihre Tanikarte. „Ich würde vorschlagen, wir sollten eine Liste der besten Kandidaten machen, die am Ende dieser Saison noch zur Wahl stehen. Ein trauriger Rest ist uns geblieben. Sollen wir sie nach ihrem Titel auflisten? Mit den Herzögen anfangen?“
Annabelle schüttelte den Kopf. „Herzöge können wir sofort vergessen. Ich kenne keinen, der jünger als siebzig ist und noch alle Zähne im Mund hat.“
„Aha? Intelligenz und Charme sind nicht wichtig, wohl aber die Zähne“, spottete Lillian.
„Na ja, Zähne sind auch nicht wichtig, aber doch von hohem Wert“, erwiderte Annabelle lachend.
„So, so“, meinte Lillian. „Vergessen wir also die Kategorie der zahnlosen, alten Herzöge und wenden uns den Earls zu. Da gibt es den Earl of Westcliff …“
„Nein, um Gotteswillen, nicht Westcliff“, stöhnte Annabelle. „Ein kalter Fisch … Der ist nicht an mir interessiert.
Vor vier Jahren, als Debütantin, habe ich mich ihm fast an den Hals geworfen. Er hat mich nur angesehen, als wäre ich der letzte Dreck.“
„Also dann vergessen wir Westcliff auch.“ Lillian sah sie fragend an. „Lord St. Vincent? Jung, geeignet, sündhaft gut aussehend …“
„Das funktioniert nicht“, erklärte Annabelle. „St. Vincent würde niemals einen Antrag machen. Mindestens ein Dutzend Frauen hat er bereits kompromittiert, verführt oder völlig ruiniert … Für den ist Ehre ein unbekanntes Wort.“
„Der Earl of Eglington?“, schlug Evie zögernd vor. „Er ist zwar recht b…beleibt und mindestens fünfzig …“
„Setzen wir ihn auf die Liste. Allzu wählerisch kann ich nicht sein.“
„Und wie ist es mit dem Viscount Rosebury?“, fragte Lillian vorsichtig. „Ein ziemlich komischer Typ …, so … so schlaff.“
„Solange er eine straffe Geldbörse hat, kann er sonst wo schlaff sein“, erwiderte Annabelle und brachte damit die Mädchen zum Kichern. „Er kommt auch auf die Liste.“
Die vier hatten weder Ohren für die Musik noch Augen für die Paare, die an ihnen vorbeitanzten. Sie arbeiteten emsig an ihrer Kandidatenliste und mussten dabei hin und wieder so laut lachen, dass sie neugierige Blicke auf sich zogen.
„Ruhig.“ Annabelle versuchte ein ernstes Gesicht zu machen. „Es soll doch niemand Verdacht schöpfen, dass wir hier etwas planen. Außerdem … Mauerblümchen dürfen nicht lachen.“
Sie versuchten alle ernst dreinzuschauen und fingen prompt wieder an zu kichern. „Oh, seht mal“, freute sich Lillian, als sie auf die immer länger werdende Liste von Heiratskandidaten blickte. „Endlich sind unsere Tanzkarten einmal voll.“ Nachdenklich schürzte sie die Lippen. „Da fällt mir ein, Westcliff hat zum Schluss der Saison auf sein Gut nach Hampshire eingeladen. Einige dieser Junggesellen werden sicherlich kommen. Daisy und ich haben eine Einladung. Und Sie, Annabelle?“
„Ich bin mit einer seiner Schwestern befreundet. Wenn ich sie frage, wird sie mich einladen. Notfalls werde
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