Geheimnisvoll wie der Orient
politischer Ebene war das wünschenswert. Nein, lieber würde er mit der Verführerin reden. Das erschien ihm vielversprechender.
Ich werde dieser Frau klipp und klar mitteilen, dass ich nicht mit ansehe, wie sie die Ehe meiner Freunde zerstört. Und wenn sie nicht zur Einsicht gelangt, dann greife ich eben ein. Er hatte zwar bislang keine genaue Vorstellung davon, welche Schritte er unternehmen wollte, doch war ihm noch in jeder brenzligen Situation eine Lösung eingefallen. Schließlich war er bekannt dafür, den Dingen nicht aus dem Weg zu gehen und notfalls auch selbst die Kohlen aus dem Feuer zu holen.
Während er den sinnlichen Mund der Engländerin betrachtete, fragte er sich, ob er wohl so weit gehen musste, diese Lippen zu küssen, um seinen Cousin vor weiterem Unheil zu bewahren. Sicher ließ es sich so einrichten, dass Tariq ihn dabei beobachtete. Damit wäre das Problem aus der Welt, denn sein Cousin war bestimmt nicht bereit, seine Geliebte mit einem anderen zu teilen.
Während er nun offen auf ihre Lippen starrte, dachte er, sie ist ganz anders als alle Frauen, die ich bisher geküsst habe. Überhaupt nicht attraktiv, bis auf diesen wirklich sehr erotischen Mund. Er hatte schon unangenehmere Dinge auf sich genommen, um einem Freund zu helfen.
Als spürte sie seine Gedanken, wandte sie plötzlich die Augen von ihrem Gegenüber ab und begegnete direkt Tairs feindseligem Blick.
Kühl und emotionslos beobachtete er, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, und als sie sich unangenehm berührt wegdrehte, verzog er verächtlich die Lippen. Zumindest wusste sie nun, dass sie ihn nicht hinters Licht führen konnte.
Tariq hatte seine Krawatte gelockert, trug aber noch immer den dunklen Anzug, den er zum Dinner gewählt hatte.
Molly schloss die Tür und deutete auf einen Stuhl. Sie selbst setzte sich auf das große Himmelbett und schlug die Beine unter. In meinem schlichten Baumwollschlafanzug passe ich überhaupt nicht zu dem Luxus in diesem beeindruckenden Palast, dachte sie.
Ihre anfängliche Schüchternheit gegenüber Tariq hatte sich in den zwei Wochen seit ihrer Ankunft etwas gelegt. Völlig entspannt fühlte sie sich aber noch immer nicht in seiner Gegenwart.
Auch er schien in ihrer Anwesenheit verunsichert, was bei der Kürze ihrer Bekanntschaft nicht verwunderlich war. Glücklicherweise war sein Bruder Khalid wesentlich forscher, sodass Molly mit ihm viel ungehemmter umging.
Tariq griff nach einem Stuhl, drehte ihn herum und nahm, die Arme auf die Lehne gestützt, in Kutscherstellung Platz. Molly erinnerte sich an Beatrice’ Worte, ihr Mann neige nicht dazu, Gesprächspausen mit Floskeln zu füllen. Und so wartete sie ungeduldig darauf, dass er ihr den Grund seines ungewöhnlichen abendlichen Besuchs mitteilen würde.
„Störe ich? Hast du schon geschlafen?“
Sie schüttelte den Kopf. Erneut folgte ein längeres Schweigen. Was kann er nur wollen?
„Khalid befürchtet, deine Gefühle verletzt zu haben.“
Molly war verwirrt. „Wie kommt er darauf?“
„Er hat dich Tair gegenüber als Freundin von Beatrice vorgestellt.“ Ausnahmsweise war Tariq heute über das unerwartete Erscheinen seines Cousins alles andere als erfreut gewesen. „Khalid hat Angst, du könntest gekränkt sein, weil er verschwiegen hat, dass wir verwandt sind.“
Sie hatte wieder den großen Mann mit den strahlend blauen Augen vor sich, der unangemeldet zum Abendessen erschienen war. Staubig, aber bemerkenswert attraktiv war er nach einer Notlandung im Palast aufgetaucht. Er war mit seinem Flugzeug in einen Sandsturm geraten und auf einem aufgelassenen Flugplatz in der Nähe der Stadt gelandet.
„Unsere Familien sind eng miteinander verbunden. Er ist ein Cousin meines Mannes und der Thronerbe unseres Nachbarlandes Zabrania“, hatte Beatrice ihr zugeraunt, während die Männer sich in einer verwirrenden Mischung aus Arabisch, Französisch und Englisch unterhalten hatten.
„Er hat tiefblaue Augen!“ Azur wie das Meer. Nie hatte sie Augen von einem so intensiven Blau gesehen.
„Das ist dir aufgefallen?“
Es war nicht zu übersehen!
„Etliche Familienmitglieder der Al Sharifs haben diese leuchtend blauen Augen wie Tair. Es gibt dazu auch eine hübsche Geschichte. Ich weiß nicht, ob sie stimmt, aber man sagt, dass sich vor ewigen Zeiten ein Wikinger hierher verirrt hat. Anscheinend verstand er sich ein bisschen zu gut mit der Königstochter. Jedenfalls kommt seitdem immer mal wieder ein Mitglied des
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