Geheimnisvoll wie der Orient
in die Arme nehmen und spürte, wie der jahrelang gehegte Groll dahinschmolz.
„Meine Güte, jetzt kommen mir auch noch die Tränen.“ Sie löste sich aus der brüderlichen Umarmung und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.
„Du gehst jetzt besser“, meinte sie. „Sonst schickt Beatrice noch einen Suchtrupp los.“
2. KAPITEL
Tair stand in einer dunklen Ecke am Ende des Flurs und hörte Mollys letzte Worte klar und deutlich. Er blieb in seinem Versteck, bis Tariqs Schritte auf dem Marmorboden verklungen waren. Dann ging er rasch zu der Tür, die gerade geschlossen worden war.
Sein Puls begann zu rasen, als er sich vorstellte, wie selbstzufrieden die Engländerin sich fühlen musste. Sie glaubt wohl, alle getäuscht zu haben, doch mich führt sie nicht hinters Licht, dachte er.
Als sie in der offenen Tür gestanden hatte, ohne Brille und mit offenem Haar, das ihr wie ein seidener Vorhang bis zur Taille hinabreichte, hatte er sie kaum erkannt. In dem hellen Lichtstrahl, der aus ihrem Schlafzimmer fiel, konnte er durch den dünnen Stoff ihres schlichten Schlafanzugs die Konturen ihres Körpers sehen – zierlich, doch äußerst feminin. So reizvoll war der Anblick gewesen, dass seine Hormone sofort reagiert und ihm einen Streich gespielt hatten.
Wer außer Tariq hätte vermutet, dass sich unter den sackförmigen Kleidern eine so attraktive Figur verbarg?
Kurz vor Mollys Tür blieb er stehen und atmete tief durch. Er durfte jetzt nicht vorschnell reagieren. Auch wenn die Erinnerung an ihre Rundungen seine Wut – und sein Verlangen – erneut auflodern ließ.
Natürlich kann ich sie jetzt gleich zur Rede stellen. Doch was würde ich damit erreichen? Er glaubte nicht, dass sie die
Affäre mit Tariq sofort beenden würde. Nein, Drohungen waren nicht das geeignete Mittel. Noch wusste niemand etwas von dem Verhältnis, und so sollte es auch bleiben.
Er musste nachdenken, das Problem analysieren und dann handeln.
Tair straffte die Schultern, warf einen letzten Blick auf die Tür und entfernte sich in die entgegengesetzte Richtung, die sein Cousin genommen hatte.
Tariq durchquerte eilig den Innenhof des Palastes. Große Terrakottakübel mit farbenprächtigen Pflanzen waren um lauschige Sitzplätze gruppiert. Ein Springbrunnen sandte silbrig glitzernde Fontänen in die Luft. Am tiefblauen Himmel stand kein einziges Wölkchen. Doch Tariq hatte keinen Blick für die Schönheit der königlichen Anlage.
Unvermittelt blieb er stehen. „Tair!“
Lächelnd ging Tair auf seinen Cousin zu. Der sah erschöpft aus. Vielleicht bescherte ihm sein schlechtes Gewissen unruhige Nächte?
Auch er hatte kaum geschlafen, fühlte sich aber an diesem Morgen tatkräftig und entschlossen.
Er hatte einen genialen Plan ersonnen. Ein wenig gewissenlos zwar, doch es kümmerte ihn nicht, was die anderen über ihn denken mochten.
„Gut, dass ich dich treffe.“
Er ist erleichtert, mich zu sehen, dachte Tair, was für eine Ironie!
„Du könntest mir einen Gefallen tun“, sagte Tariq und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Würdest du Molly eine Nachricht von mir überbringen?“
Tair nickte. Alles lief wie geschmiert. Sein Cousin spielte ihm, ohne es zu wissen, direkt in die Hände.
„Sie ist in einem der Gewächshäuser.“ Nervös schaute Tariq wieder auf die Uhr.„Die Pflanzen interessieren sie natürlich sehr.“
„Natürlich?“, fragte Tair mit gespieltem Interesse.
„Ja, sicher. Sie unterrichtet Biologie und Chemie, und ihre große Liebe gilt der Botanik. Ich habe ihr erzählt, dass mein Ururgroßvater die Gewächshäuser erbauen ließ und sich einige sehr seltene und wertvolle Pflanzen darin befinden. Eigentlich wollte ich Khalid zu ihr schicken, aber ich kann ihn nirgends finden.“
„Sie ist Lehrerin?“ Tair konnte es nicht fassen. Sollte der Lebenswandel einer Pädagogin nicht moralisch einwandfrei und ein Vorbild für die Schüler sein?
Tariq warf ihm einen amüsierten Blick zu. „Hast du dich überhaupt schon mit ihr unterhalten? Sie ist nämlich sehr intelligent“, sagte er stolz. Tair spürte, wie sich die Muskeln in seinem Nacken anspannten.
„Ich weiß, sie redet nicht viel. Aber wenn es dir gelingt, sie aus der Reserve zu locken, dann wirst du feststellen, dass sie viel Sinn für Humor hat und …“
„Zumindest dich scheint sie bereits von ihren Qualitäten überzeugt zu haben“, fiel Tair ihm trocken ins Wort. „Ich werde mich bemühen, sie besser kennenzulernen.“ Als ob
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