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Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Titel: Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Hooper
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hinten herum!«, sagte Rose rasch, da Lily Anstalten machte, die Stufen zur Haustür hinaufzugehen. »Bedienstete benutzen nicht den Vordereingang. Niemals!«
    Bei ihrem Blick in den Salon der Unwins hatte Lily, was sie natürlich nicht wusste, eine Zimmereinrichtung auf dem Höhepunkt der zeitgenössischen Mode gesehen: Wände mit gemusterten Tapeten von Mr   William Morris, überall Sessel und Tischchen, ausgestopfte Vögel in Glaskugeln, Anrichten mit Porzellanelefanten darauf, Amor-Figürchen, Darstellungen von Königin Viktoria und Prinz Albert, amüsanter Nippes aus dem Ausland und glasierte Blumenschalen mit üppig wuchernden Farnen. Sämtliche Räume oberhalb des Treppenniveaus waren mit dieser Opulenz eingerichtet, doch sobald man eine Tür öffnete, die nach unten führte, galten andere Maßstäbe: Die Dienstbotenquartiere befanden sich in dunklen, mit Steinfliesen ausgekleideten Räumlichkeiten, und der Betrieb der Kochstellen, Spülbecken und Kamine war furchtbar aufwändig und anstrengend. Es gab kein heißes Wasser, die Spülbecken waren aus Blei, und selbst bei hellem Tageslicht benötigte man dort unten Kerzenlicht, um überhaupt zu sehen, was man tat. Die riesige Küche enthielt zwei Feuerstellen mit Bratrosten, einen Ofen für Brot und einen für Pasteten und Gebäck sowie mehrere Kochplatten für Töpfe und Pfannen, doch die Kohlefeuer mussten permanent versorgt werden, wollten von Tagesanbruch bis Feierabend gerüttelt, angefacht und geschürt werden, wenn man nicht Gefahr laufen wollte, dass sie plötzlich inmitten der Vorbereitungen für ein Mahl ausgingen.
    Hier unten in der Küche stellte Rose Lily den anderen Hausangestellten vor: Mrs   Beaman, der Köchin und Haushälterin, Blossom und Lizzie, den Dienstmädchen, und Ella, der Küchenhilfe.
    Die Bediensteten reagierten auf den Neuankömmling unisono mit einer Mischung aus Bestürzung und Erheiterung, rangen beim Anblick ihrer schmutzigen, nackten Füße entsetzt nach Luft, schnüffelten demonstrativ, als Lily sich aus ihrem Schultertuch wickelte, und schauderten unübersehbar, als sie die Flohbisse auf ihren Armen erblickten (die von der Nacht in dem Lagerhaus stammten). Die Einzige, die zumindest ein bisschen angetan war von Lilys Erscheinen, war Ella, die sogleich erkannte, dass sie nun nicht mehr das niedrigste Mitglied in der Haushaltshierarchie war.
    Rose, die im Grunde ein recht warmherziger Mensch war, fand es peinlich, wie Lily von den anderen gemustert und begutachtet wurde. Sie schlug Lily vor, doch ein wenig im Garten draußen spazieren zu gehen.
    »Was für ein Aufzug!«, rief Blossom, kaum dass die Tür hinter Lily zugefallen war.
    »Weiß Gott, was die uns für Ungeziefer ins Haus schleppt – nein, wirklich, die sieht nicht aus, als ob sie je ein Stück Seife in der Hand gehabt hätte!«, empörte sich Lizzie.
    Mrs   Beamans Busen hob sich unter einem tiefen Atemzug. »Und der gnädige Herr will sie als Kammermädchenfür Miss Charlotte einstellen?«, fragte sie, an niemand Bestimmten gewandt. »Er muss den Verstand verloren haben.«
    »Die gnädige Frau hat ziemlich verdutzt dreingeschaut, als sie mir auftrug, sie herüberzubringen«, warf Rose ein.
    »Also, mal abgesehen von ihrem Aufzug, weiß die denn überhaupt, was die Aufgaben eines Kammermädchens sind?«, fuhr Lizzy mit einem überlegenen Lächeln fort. »War die schon mal irgendwo in Dienst? Kann die einen gefältelten Unterrock bügeln? Kann sie Haare drapieren?«
    »Ob die das kann, dass ich nicht lache! Einen Scheißdreck kann die«, sagte Mrs   Beaman, und die anderen brachen in schockiertes Gekicher aus.
    »Hat der gnädige Herr Anweisungen hinsichtlich ihrer Garderobe gegeben?«, fragte Mrs   Beaman. Sie blickte an sich hinunter. Sie selbst und das restliche Hauspersonal trugen dunkelblaue Baumwollkleider mit weißen Leinenschürzen darüber. »Soll sie unsere Livree tragen? Hat sie überhaupt Schuhe?«
    »Wo kommt sie überhaupt her?«, wollte Blossom wissen.
    Rose zuckte mit den Achseln. »Ich weiß bloß, dass sie eine Schwester hat, die bei den Unwins als Sargbegleiterin eingestellt wird. Ich glaube, sie mussten beide Mädchen nehmen, sonst hätte die andere nicht zugesagt. Mr   Unwin wird euch wohl heute Abend mehr erzählen«, fügte sie hinzu, denn die Unwinskehrten jeden Abend in ihr Haus in Kensington zurück.
    »Legen die Unwins jetzt gar eine wohltätige Ader an den Tag? Ausgerechnet? Das wär aber was absolut Neues!«, überlegte Mrs   Beaman

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