Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)
fürchte, ich habe ihrer Schwester versprochen, dass Lily als Dienstmädchen ausgebildet werden könne, aber Sie und ich wissen natürlich, dass sie diese Rolle niemals zu unserer Zufriedenheit würde erfüllen können. Vielleicht könnte sie ja … Stiefel putzen oder etwas in der Art?«
»Vielleicht, Sir«, kam die zögerliche Antwort.
»Ich bin mir sicher, Sie werden eine gute Lösung finden«, fuhr Mr Unwin fort, wobei er den Zehn-Shilling-Scheinauffaltete, »und vielen Dank für Ihr Verständnis. Eine Sache wäre da noch: Mrs Unwin und ich sind – aus rein
wohltätigen
Motiven – sehr interessiert an dieser jungen Person.«
Mrs Beaman zog leicht die Brauen hoch. »Sehr wohl, Sir.«
»Wir wüssten gerne, wie es zugehen kann, dass zwei Mädchen aus gutem Hause so ein hartes Schicksal erleiden. Damit so etwas in Zukunft verhindert werden kann, verstehen Sie.« Er wartete, bis Mrs Beaman zustimmend genickt hatte, und fuhr fort: »Wenn Sie so gut wären, falls sie etwas über ihre familiären Hintergründe erzählt, es an uns weiterzugeben.«
Mrs Beaman versuchte, ihre Überraschung zu verbergen. »Wie Sie wünschen, Sir.«
»Vielen Dank. Und selbstverständlich ist diese Angelegenheit höchst vertraulich und muss unter uns bleiben.«
»Natürlich, Sir.«
Der Geldschein landete endlich in ihrer Hand, Mrs Beaman knickste noch einmal und ging zurück in die Küche, nicht ohne über die Höhe der Banknote gelinde die Stirn zu runzeln. Nur zehn Shilling! Nun, solange noch mehr davon kamen …
Im Salon schloss sich derweil ein gedämpftes Gespräch zwischen den drei Unwins an. Mrs Unwin war inzwischen in die ganze Geschichte einschließlich die zu erwartende Höhe der Erbschaft eingeweiht (underwog bereits, eine Strandvilla in dem jüngst in Mode gekommenen Badeort Brighton zu kaufen), und nun wurde Charlotte über die Situation in Kenntnis gesetzt. Außerdem erfuhren die beiden von dem neuen Plan, Lily zu »adoptieren«.
Mr Unwin war ein wenig bange hinsichtlich der Reaktion seiner Tochter gewesen, doch wie sich herausstellte, war Charlotte aus demselben Holz geschnitzt wie ihr Vater. Sie war sogleich bereit, das Ihrige dazu zu tun, um Lily davon zu überzeugen, dass sie schon vor Jahren in die Familie aufgenommen worden sei. Angesichts der Aussicht auf ihren eigenen Einspänner in einer schicken Farbe bedurfte es keiner weiteren Überredungskunst.
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Kapitel 14
Am folgenden Tag ging eine äußerst elegant gekleidete Frau mit einem kleinen Kind an der Hand am Teich in den Kensington Gardens spazieren und blieb neben einem schicken Kinderwagen stehen, um das Baby darin zu bewundern.
»Was für ein hübsches Baby!«, sagte sie. »Ein richtiges kleines Engelchen!«
Mrs Robinson lächelte versonnen und erwiderte: »Das ist er, nicht wahr? Ich weiß ja, Eigenlob ist keine Tugend, aber, nun, mein Mann und ich finden ihn auch absolut hinreißend.«
Die Frau schaute noch einmal das Baby an und dann Mrs Robinson, als vergleiche sie die beiden Gesichter.»Was für hübsche Gesichtszüge. Und ich glaube, er hat Ihre Augen!«
Die Wangen der frischgebackenen Mutter röteten sich vor Freude. »In der Tat, das heißt es öfter.«
Die andere Frau hob ihr kleines Kind ein wenig in die Höhe, damit es in den Wagen sehen konnte. »Sieh mal, das kleine Baby, George! Ist es nicht süß?«
Den kleinen George schienen die Boote auf dem Teich allerdings mehr zu beeindrucken, und so setzte ihn die Frau wieder ab. »Sie haben gar kein Kindermädchen, wie ich sehe.«
Mrs Robinson schüttelte den Kopf. »Meinen Kleinen von jemand anderem versorgen lassen? Niemals! Er ist mir viel zu kostbar!«
»Ganz recht. Ich habe drei Kinder – in ganz gleichmäßigen Abständen – und habe jedes einzelne selbst gestillt.« Sie lächelte ein wenig. »Um ehrlich zu sein, ich hatte Angst, dass meine Babys am Ende die Amme lieber mögen als mich!«
Mrs Robinson lachte.
»Und von wem hat er denn die Farbe bekommen?« Die Frau blickte erneut in den Wagen. »Da sehe ich doch Löckchen unter der Haube! Die rotbraunen Haare stammen wohl von Ihrem Gatten?«
Mrs Robinson zog ein Gesicht, als sei ihr eine unschickliche Frage gestellt worden. »Ja. Ja, allerdings!«, sagte
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