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Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Titel: Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Hooper
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Blätter verlierenden Bäumen dahin; ihre Pferde hoben die Hufe in vollkommenem Gleichschritt. Rose beobachtete die beiden mit scharfem Blick, denn sie wusste, dass Königin Viktoria und Prinz Albert gelegentlich eine kleine Reitstunde im Park unternahmen. Einmal hatte sie sie schon gesehen und hoffte nun darauf, sie ein weiteres Mal zu erspähen – vor allem Prinz Albert, den sie für einen außerordentlich feschen Mann hielt.
    »Sie sind so reich, dass sie nicht zu arbeiten brauchen«, wiederholte sie und versuchte erneut, Lilyweiterzuziehen. »Nicht wie du oder ich.« Sie musterte ihre Begleiterin. Was dachten sich ihre Herrschaften bloß, so ein Mädchen aufzunehmen, ohne Schuhe und obendrein schwachköpfig? Die andere machte ja einen recht passablen Eindruck und hatte wohl das Zeug, als Sargbegleiterin dem hohen Standard zu genügen, den die Unwins für Beerdigungen anlegten, aber, also ehrlich, bei der hier waren doch Hopfen und Malz verloren. Ein persönliches Dienstmädchen für Miss Charlotte? Du lieber Himmel, Gott sei Dank musste sie ihr das nicht beibringen!
    Mit einer Mischung aus gutem Zureden und Drohungen schaffte Rose es schließlich, Lily von den Reitern wegzulotsen und zum Weitergehen zu bewegen. In den Kensington Gardens gab es allerdings die nächste Stockung, als sie auf die Kindermädchen trafen, die ihre Kinderwagen um den Teich schoben.
    »Oh, können wir uns die Babys ansehen?«, bettelte Lily sogleich. »Bitte, bitte. Nur ganz kurz.«
    Rose wollte schon verneinen, aber dann gab sie doch nach, weil sie sich nämlich selbst gern die Babys anschaute. Und obendrein traf man dabei manchmal auf spitzenbesetzte königliche Babys, die hier an der frischen Luft spazieren gefahren wurden. Allerdings bereute Rose ihren Entschluss, kaum dass sie den Teich erreicht hatten, denn Lily starrte höchst unverfroren in einen Kinderwagen nach dem anderen, nur um danach missbilligend den Kopf zu schütteln. Was Rose natürlich nicht wissen konnte, war, dass Lily dieBabys mit ihrer früheren Puppe, Primrose, verglich, und jedes Mal zu dem Ergebnis kam, dass sie nicht annähernd so hübsch waren.
    »Wir müssen jetzt gehen«, mahnte Rose, nachdem Lily ein halbes Dutzend Babys begutachtet und für unbefriedigend befunden hatte. »Madam weiß sehr genau, wie lange es dauert, durch den Park zu Hardwood House zu gehen, und wenn ich zu spät zurück bin, bekomme ich Ärger.«
    »Ich mag Babys«, stellte Lily noch einmal fest, während sie sich weiterführen ließ.
    »Mhm«, kam die Antwort.
    »Meine Schwester hatte auch eines.«
    Rose schaute Lily verblüfft an. Sie konnte doch wohl nicht dieses stille, scheue Mädchen meinen, in dessen Begleitung sie gekommen war? »Bist du sicher?«
    Lily nickte und runzelte die Stirn. »Ich glaube schon.«
    Rose fragte nicht weiter: Das Mädchen reimte sich offenbar allen möglichen Unfug zusammen.
    Hardwood House lag in der wohl elegantesten Straße am ländlichen Rand von Kensington, direkt an einem blühenden, baumgesäumten, umzäunten Platz, zu dem nur die Anwohner Zutritt besaßen. Die Häuser ringsum ragten hoch auf und waren großzügig proportioniert. Zu den Haustüren führten Treppen hinauf, die täglich von einem Dienstmädchen geschrubbtwurden. Die Haustüren selbst glänzten in farbigem Lack, und die Türklopfer und Briefschlitze aus Messing wurden jeden Tag außer sonntags so makellos poliert, dass man sich darin spiegeln konnte.
    Lily betrachtete das Haus staunend: Es war vier Stockwerke hoch und eines tief. Als sie noch bei Mama gelebt hatte, hatten sie auch ein ganzes Haus für sich gehabt, daran erinnerte sie sich noch, aber das hatte nur zwei Zimmer oben und zwei Zimmer unten gehabt. Dieses Haus hingegen sah aus, als berge es gut und gerne zwanzig Zimmer – oder womöglich noch mehr, wenn sie gewusst hätte, was für eine Zahl nach zwanzig kam.
    »Das ist aber ein sehr großes Haus. Wer wohnt denn da noch drin?«, fragte sie Rose.
    »Wer noch? Niemand, nur Mr und Mrs   Unwin und Miss Charlotte. Oh, und die Dienstboten natürlich. Aber die zählen ja nicht«, fügte sie hinzu.
    »So viele Stockwerke und Fenster nur für sie?« Lily stellte sich auf die Zehenspitzen, um durchs Fenster in den Salon zu spähen, und erhaschte einen flüchtigen Eindruck von weich gepolsterten Sofas und Stühlen, schweren Stoffen, gemusterten Tapeten und mehreren Tischchen, auf denen sich allerlei kunstvolle Gegenstände drängten.
    »Ja, nur für sie. Jetzt komm aber, wir gehen

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