Geheimprojekt Styx
Stirn. Sanchez begutachtete mit einem fachmännischen Blick, den sie sich als Barfrau angeeignet hatte, lediglich kurz die Augenringe und kam zu dem Ergebnis, dass Boratto zwei Tage mehr oder weniger durchgefeiert hatte.
„Hattest du deinen Spaß?“
Boratto nickte nach einer kurzen Verarbeitungszeit langsam. „Ja. Es war-“ Er rieb sich die Stirn. „Hart. Härter, als ich dachte.“
„Frag mal Mike dazu.“
„Der trinkt mich ohne rot zu werden unter den Tisch. Und sein Durchhaltevermögen habe ich nicht einmal ansatzweise.“
Sanchez grinste bloß, sagte aber nichts.
„Ich habe da eine Frau kennengelernt“, brummte Boratto dann, griff nach der Weinflasche und nahm einen großen Schluck. Den ein wenig skeptischen Blick Sanchez' nahm er gar nicht wahr.
„Sie will sich unbedingt mit mir treffen. Ich habe sie zum Essen eingeladen.“
„Wie viel hattest du intus, als du das Treffen vereinbart hast?“
„Offenbar nicht genug, sonst hätte ich das wohl nie gemacht.“
„Art, du wirst zu diesem Date gehen. Ganz gleich, was du auch denkst oder vorhast. Zieh dir einen Anzug an, schenk' dir die Krawatte und nimm 'nen Strauß Blumen mit. Mag sie Wein? Rum? Scotch?“
„Rum. Kommt von Kuba.“
„Kuba?“
„Ja.“
„Gut, dann nimmst du auch eine Flasche Rum mit. Mike hat in seinem Arbeitszimmer irgendeine noch frische rumstehen, die kriegst du. Und dann, Artur Boratto, wirst du anfangen, dein Leben zu leben.“
Boratto trank den Rest der Weinflasche in einem Zug leer, betrachtete nachdenklich den Aufdruck und kratzte sich am Kopf. „Das Zeug schmeckt verdammt gut.“
„Das „Zeug“ hat fünfundzwanzigtausend Dollar gekostet.“
„Schmeckt trotzdem gut.“
Sanchez vergrub bloß das Gesicht in einer Hand. „Okay, Art. Wir bringen dich jetzt ins Bett. Ins Bett, klar? Nicht auf deinen Stuhl. Und kotz' mich bitte nicht voll.“
„Werd's versuchen.“
Sanchez half Boratto auf und stützte den völlig betrunkenen Brasilianer dann so lange, bis er sein Schlafzimmer erreicht hatte. Und das erste Mal nach Jahren blieb Artur Boratto in seinem Bett, alle Viere von sich gestreckt, liegen und sprang nicht paranoid auf.
Sanchez wusste, dass er nach dieser vermutlich kurzen und wenig erholsamen Nacht einen furchtbaren Kater haben würde. Doch ihrer Meinung nach war dieser Preis für eine Beziehung allemal akzeptabel.
Kapitel 29 – Glanz und Schatten
Es war am frühen Abend in Doha, der Hauptstadt Katars, als Benjamin Barack den Empfang in einer der besten Privatkliniken des Nahen Osten hinter sich ließ und hinauf in den dritten Stock fuhr, wo Mangope, Tinto und die bisher nicht identifizierte Frau untergebracht waren. Barack, der immer als Mittelding zwischen Araber und Südeuropäer durchging, trug einen beigen Leinenanzug mit weißem Hemd und schwarzen Anzugschuhen, womit er sich etwas von der Masse der Anzugträger hier abhob, doch das war in gewisser Form auch gewollt. Barack, der wie immer eine Waffe mit sich führte, blieb vor dem Zimmer Mangopes stehen und nickte dem Wachposten zu, welcher zum Geheimdienst Katars gehörte. Barack war bereits angekündigt worden, was auch der Grund war, weshalb er hier fast offen eine Waffe tragen konnte.
Die Mitarbeiter Hendricks' genossen den Schutz eines Mitglieds der Herrscherfamilie, was ihnen enorm umfangreiche Rechte einräumte.
„Walter“, sagte Barack und schloss die schalldichte Tür hinter sich. Er sah zu Mangope hinüber, der in dem einzigen Krankenbett in dem dreißig Quadratmeter großen Raum lag. Abgesehen von einem Jochbeinbruch, einem Dutzend Platzwunden, einem ausgekugelten Arm, angebrochenen Beinen, hatte Mangope sich eine Gehirnerschütterung zugezogen, die aber nicht bedrohlich war, wie die Ärzte versichert hatten.
„Du hast dir aber Zeit gelassen“, brummte Mangope bloß.
„Der Verkehr war dichter als erwartet.“
„Hmm.“ Mangope richtete sich mit schmerzverzerrtem Gesicht etwas auf und betätigte dann einen Knopf, um die Morphiumdosis zu erhöhen.
„Was soll ich Sanchez sagen, Walter?“, fragte Barack und trat ans Fenster heran, schaute hinaus auf die Skyline Dohas. „Sie hat mir einen Einlauf sondergleichen verpasst, als ich sie nicht rasch genug informiert hatte.“
„Sie ist Hendricks' Frau. Diese Konsequenz hat sie von ihm.“
„Ich weiß.“ Barack schob die Hände in die Hosentaschen, drehte sich etwas und ließ den Blick im Zimmer schweifen. „Und genau das macht sie auch zu einer guten Führungskraft.
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