Geheimprojekt Styx
allem, da er Sanchez auf ihrem Handy nicht hatte erreichen können. Er tat also das, was ihm damals als richtig vorkam. Er zog sein gesamtes Team, acht Mann, einschließlich Boratto, von allen laufenden Operationen ab, ließ bekannte Aufenthaltsorte Sanchez' absuchen und sich in den Polizeifunk hacken, falls dort von einer Frau gesprochen wurde. Er selbst hatte Sanchez' Verwandtschaft abtelefoniert, um sie zu finden.
Um kurz nach drei Uhr in der Früh hatte Hendricks sie dann schließlich erreicht, sie hatte eine Freundin besucht und dort keinen Empfang gehabt und Hendricks hatte diese Freundin schlicht nicht gekannt. Als sie dann in ihrem Quartier, Hendricks' Strandvilla, die etwa zwei Kilometer vom Hauptquartier der SACS entfernt lag, eingetroffen war, hatte er sich Jahrhunderte jünger gefühlt. Die Handtasche hatte er ihr erst am nächsten Tag überreicht. Doch damals war ihm bewusst geworden, dass ihn Verlustängste plagten und plagen würden.
Er sah in den Spiegel, vertrieb die Gedanken an die Vergangenheit mit einem leichten Kopfschütteln und fühlte sich in seiner Entscheidung, aus dem operativen Dienst auszuscheiden, nur noch bestärkt. Für ihn hatte Sanchez Priorität und nichts anderes.
„Und was ist mit meiner Handtasche?“
„Hast du da schon mal reingeschaut?“
„Äh, ja?“
Er grinste. „Schau nochmal rein.“
„Mike! Das ist dreist!“
„Es ist eine Glock, danke der Nachfrage“, meinte Hendricks trocken. „Mal im Ernst, die wenigsten Geiselnehmer schauen den Frauen unter den Rock, ein Messer ist da prima aufgehoben und hat noch die Option, dass man damit Kabelbinder durchtrennen kann.“
Sanchez rollte mit den Augen und schloss die Handtasche wieder, ließ die Glock aber drin. „Manchmal bist du wirklich so romantisch wie ein Eisklotz.“
„Danke, ich habe dich auch lieb.“
Sie klimperte mit den Wimpern und strahlte, und es war, selbst wenn dieses ganze Gespräch bloß einer ihrer üblichen Späße war, kein aufgesetztes Lächeln, es kam von Herzen. „Danke, Mike.“
Er reichte ihr seine Hand und setzte seine professionelle Miene auf. „Gehen wir, Miss Sanchez?“
„Ja, Mister Hendricks.“
Kapitel 9 – Stillstand
Der Speiseraum im Haupthaus des Weinguts Rifugio war luxuriös eingerichtet, selbst wenn hier nicht nur die Führungsriege der SACS, sprich Howells Familie und einige wenige Außenstehende, speisten, sondern hin und wieder auch andere Mitarbeiter. Der Koch, den Howell aus Italien rekrutiert hatte und der berühmt für seine italienischen Gerichte war, hatte von ihm die Anweisung erhalten, eine Bistecca alla fiorentina zu kochen, ein T-Bone-Steak nach Florentiner Art.
Hendricks und Sanchez kamen die Treppe hinunter und betraten den Speiseraum, in dem die letzten unmittelbaren Vorbereitungen getroffen wurden.
Aus dem Nebenraum kam Boratto, dessen Kampfhose- und stiefel und die kugelsichere Weste mit den Magazintaschen im krassen Kontrast zum gepflegten Aussehen Hendricks' und Sanchez' standen.
„Mike“, grüßte er und deutete den Hauch einer Verbeugung an. „Nadia.“
„Art...“ Hendricks grinste und zog Sanchez zu sich heran, wobei er ihr Parfüm einsog und eine Hand auf ihre Hüfte legte. „Das ist übertrieben.“ Der designierte Direktor musterte seinen langjährigen Partner. Die Gasmaske am Gürtel fiel ihm ebenso auf wie die zwei Pistolen, eine in einem Holster vor der Brust, die andere in einem Oberschenkelholster. Wenn Boratto die Anweisung zum Personenschutz bekam, so nahm er diese Aufgabe extrem ernst. Er rüstete sich stets für alle Eventualitäten, Gasangriffe nicht ausgeschlossen.
So wie ich Artur kenne, hat er einen Bombenspürhund in der Küche sitzen, dachte Hendricks, als Sanchez ihn zum Fenster zog, damit sie die Zufahrt beobachten konnten.
„Ich bin im Nebenzimmer.“ Boratto machte auf dem Absatz kehrt und verschwand wieder. Die Tür zum Nebenzimmer ließ er vorerst offen und Hendricks hörte ein leises Bellen. Er lächelte bloß.
„Mal sehen, wie der Abend so wird“, meinte Sanchez, die sich gegen Hendricks lehnte, so dass ihr Rücken an seine Brust drückte. „Immerhin ist das Essen gut.“
„Wohl wahr, Vincenti ist ein ausgezeichneter Koch. Ich frage mich zwar immer noch, wie Dad ihn rekrutiert hat, aber nun gut.“
„Mike?“
„Ja, Nad?“
„Wenn du morgen dieser Spur nachgehst, von der du mir erzählt hast, Mike...“
„Mhmm?“
„Dann will ich mitkommen.“
Hendricks schaffte es irgendwie, das
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