Geheimprojekt Styx
Wallcroft nach dem Prinzip „Quid pro quo“ lebte. Wenn er eine Auskunft von dem ehemaligen Fallschirmjäger haben wollte, so musste er ihm etwas geben, bei dem er nicht widerstehen konnte.
„Eine Einzelanfertigung, aus Schottland, aus dem Jahr 1970. Der Marktwert ist, nun, sehr hoch.“
Wallcroft hielt die Flasche in die Höhe, drehte sie einige Male hin und her und grinste dann breit, wie ein Kleinkind, das eine Tafel Schokolade bekommen hat. „Und dafür möchtest du doch mit Sicherheit etwas, Michael.“ Es war keine Frage, was Hendricks nicht entging. Er nickte und versetzte der Reisetasche vor sich einen Tritt, der sie unter den Schreibtisch beförderte. Wallcroft blickte hinunter zu seinen Füßen und legte den Kopf schief. Mit dem Blick eines interessierten Kenners öffnete er die Tasche und schaute hinein.
„Fallschirme?“
„Fallschirme.“ Hendricks lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, wobei sein Schulterholster deutlich zu sehen war. „Marke und Verwendungszweck würde ich gerne erfahren. Und wenn du ganz gut bist, sagst du mir, welcher Flugplatz die Dinger an Kunden ausgibt.“
„Das ist aber ganz schön viel für eine Flasche Scotch.“
„Aus dem Jahre 1970, Charles, aus dem Jahre 1970. Beleidige mich bitte nicht.“
„Okay, okay, okay.“ Wallcroft nahm die Tasche, ging quer durch das Zimmer und breitete den ersten Fallschirm teilweise auf einem größeren Tisch an der Wand aus. Dann legte er den zweiten hinzu, von dem lediglich Reste geborgen worden waren, da er sich in den Bäumen des Kongos verfangen hatte.
„Hmm, das hier ist ein Fallschirm für Personen.“ Er suchte nach Markierungen und Hinweisen, die Hendricks definitiv übersehen hätte. „Der sieht aus wie... nein, das kann nicht sein. Völlig ausgeschlossen.“
„Was ist völlig ausgeschlossen?“, wollte Hendricks wissen, stand auf und ging zu Wallcroft hinüber.
Boratto schnellte indes in die Höhe und baute sich schräg hinter Hendricks auf, die Hand auf seiner Pistole.
„Das Ding sieht aus, wie die Fallschirme, die man bei den Special Forces verwendet. Die amerikanischen Schirme. Grau, robust, leicht zusammenzufalten. Michael, wo hast du das Ding her?“
Hendricks' Kiefermuskulatur arbeitete angestrengt. Fallschirme, wie sie von Spezialeinheiten des amerikanischen Militärs verwendet wurden mitten im Kongo, dazu ein mit Phosphorgranaten abgebranntes Dorf, irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. „Spielt keine Rolle. Der zweite Schirm, wozu verwendet man den?“
„Ist ein Frachtschirm, der Größe nach für etwa einhundert Kilogramm Gewicht.“
Einhundert Kilogramm, dachte Hendricks, die Box hatte vielleicht vier Kilogramm, selbst wenn man die mit Goldbarren beladen würde, käme man nie bei hundert Kilogramm an. Es sei denn, man wollte den Inhalt sicher vor Erschütterungen transportieren und hätte deshalb mehr Kapazität verwendet.
„Gut, und jetzt würde mich noch interessieren, wo man diese Schirme herbekommt.“
Wallcroft stöhnte auf. „Michael, das kann einige Stunden dauern.“
Mit einem Blick auf seine Taucheruhr stellte Hendricks fest, dass in fünf Stunden der Innenminister zu Besuch kommen würde und er daher bis dahin wieder da sein musste. „Okay, Charles, du findest das heraus und ich schaue morgen früh bei dir vorbei. Sollte es ganz dringende Erkenntnisse geben, schicke mir eine SMS.“
„Mache ich, aber Michael.“
„Ja?“
„Das wird eine sehr zeitintensive Arbeit, die mich viele Telefonate kosten wird...“
„Ich bringe dir eine zweite Flasche morgen mit, aber erst, wenn du lieferst.“
„Gut, wir verstehen uns.“
„Mach's gut, Charles, ich habe noch zu tun.“ Hendricks und Wallcroft schüttelten sich die Hände und Boratto öffnete die Bürotür, um den Korridor zu überprüfen.
Sie verließen schweigend das Gebäude, wobei Hendricks' Verstand auf Hochtouren arbeitete. Irgendetwas an dieser ganzen Sache kam ihm mehr als merkwürdig vor und er begann sich zu fragen, ob er vielleicht über ein geheimes Projekt der Amerikaner gestolpert war. Falls dem so war, konnte das durchaus unangenehm enden, da die Amerikaner aus seiner Erfahrung dazu neigten, die Probleme mit Kugeln zu lösen. Und er hatte nicht vor, auf dem Stahltisch eines Pathologen zu landen.
„Komischer Typ, dieser Wallcroft.“
„Stimmt, und ein Säufer ist er auch.“
„Woher weißt du das?“
„Hast du mal auf die Uhr geguckt? Ich biete meinen Gästen Kaffee, Tee, Wasser oder Saft an, er aber
Weitere Kostenlose Bücher