Geheimprojekt Styx
und wo diese Typen die Fallschirme herhaben, bin ich ihnen auf der Spur.“
„Hmm, vielleicht hättest du zur Polizei gehen sollen.“
„Nein, zu schlechte Bezahlung, außerdem bin ich gerne mein eigener Chef.“
„Aber nur, solange ich nicht dabei bin.“
„Mhmm.“
Sanchez zog die Braue hoch. „Also quatschen wir ein Stündchen.“
„Ganz genau.“
Doch sie schwiegen sich lieber an, küssten sich, Sanchez fuhr mit der Hand über einige Narben Hendricks, die er durch Schussverletzung und Explosionen davongetragen hatte, und im Gegenzug untersuchte Hendricks sie auf eventuelle Problemstellen, die die kühne These, Sanchez habe zugenommen, bestätigen konnten. Natürlich fand er keine. Doch Sanchez war recht angetan, und das genügte.
Ziemlich genau eine Stunde später trug Hendricks seine Noch-Freundin und zukünftige Ehefrau zum Ankleidezimmer und stellte sie dort wieder auf ihre eigenen Füße. „Ein echter Gentleman“, meinte sie lachend.
„Kann mich nicht daran erinnern, dass so etwas zur Etikette gehört, Nad.“
„Ausnahmen bestätigen die Regel.“
„So muss es wohl sein.“
Sie begannen sich umzuziehen. Sanchez in ihr schwarzes Kleid, das genau die richtige Kombination aus Freizügigkeit und Anstand war, dazu passend schwarze High-Heels, in Frankreich gefertigt. Die goldene Armbanduhr und die farblich passende Halskette mit dem Diamanten waren ein Resultat des Reichtums, über den Hendricks verfügte und dessen sie sich bedienen durfte. Schon jetzt war der Erbe von Howell vermögend, der durch geschickten Aktienan- und - verkauf enorm verdient hatte und heute ein Konto mit dreistelligen Millionenbeträgen besaß.
„Du siehst unglaublich aus, Nad“, sagte er und band sich gerade seine Schuhe zu. Mit ihren Absätzen war Sanchez fast auf gleicher Höhe mit ihm, lediglich zwei Zentimeter fehlten. Er sah ihr in die intensiven braunen Augen und schwieg einige Sekunden. Dann wandte er den Blick ab, um sein Jackett anzuziehen. Auf eine Krawatte verzichtete er bewusst, lediglich die Taucheruhr wich einem anderen Chronographen, dieses Mal eine Maßanfertigung aus der Schweiz, aus massivem Edelstahl gebaut und mit einem sündhaft teuren Lederarmband versehen.
„Nad, ich brauche dich mal eben“, meinte er, während er sich einen flachen Holster um den Knöchel band und einen kurzen Revolver hineinschob. Sanchez wusste, dass Hendricks immer zwei volle Sätze Patronen für diese Waffe dabei hatte, die er meist zusammen mit seinem Schlüssel in der Hosentasche transportierte.
„Wozu denn?“
„Du musst mir deinen Oberschenkel ausleihen.“ Er grinste.
„Bitte was? Meine Beine sind frisch gewachst, also Haare wirst du da nicht finden. Aber eine anständige Massage...“ Sie lächelte ihn an. Hendricks ging vor ihr in die Hocke, schob das Kleid hoch und schnallte eine kurze Scheide um die Innenseite ihres Oberschenkels. Der Griff des kurzen Messers war dabei auf den Boden gerichtet, um einfacher greifbar zu sein. „So“, sagte er, während er sich wieder erhob und das Kleid hinunter schob. „Falls was passieren sollte, kannst du ebenfalls eingreifen.“
Sie setzte einen Schmollmund auf, was dank der vollen Lippen recht beeindruckend aussah. „Und du hast die Pistole?“
„Ja.“
„Und warum habe ich keine?“
„Weil du, mein Schatz, eine Handtasche hast.“ Er reichte Sanchez die kleine Handtasche, die Hendricks ihr von einem Urlaub in Mailand mitgebracht hatte. Mit dieser Tasche verband er eine amüsante Geschichte und zugleich eine schreckliche Erfahrung. Die Verkäuferin in Mailand, die perfektes Englisch gesprochen hatte, war wegen seines recht legeren Äußeren, er hatte damals seine Lederjacke, ein weißes T-Shirt und Amani-Jeans getragen, ein wenig arrogant und vertrat die antiquierte Ansicht, man müsse sich reich kleiden, wenn man reich war. Als Hendricks, dem diese herablassende Behandlung wenig geschmeckt hatte, die fünfzehntausend Euro Kosten in bar bezahlt und noch einmal zweitausend dazugelegt hatte, mit der Bitte an die Verkäuferin, doch mal ein Knigge-Buch aus diesem Jahrtausend zu erwerben, war ihr die Kinnlade heruntergeklappt. Als er dann wieder auf den Bahamas war, wo die SACS ihr Hauptquartier für die Operationen in Mittel- und Südamerika hatte, wollte Hendricks das Geschenk überreichen, fand Sanchez aber nirgendwo. Zuerst dachte er, sie sei auf eine Einkaufstour gegangen, doch als sie am Abend nicht nach Hause kam, begann Hendricks nervös zu werden, vor
Weitere Kostenlose Bücher