Geheimrezept zum Glücklichsein
musste er sie verlassen und nach Denver gehen. Er konnte sie nicht mit Versprechungen und Liebesschwüren zurücklassen, und er konnte auch nicht erwarten, dass sie blieb, wenn er ihr nicht sagte, was sie zu hören ersehnte.
Er wollte glauben, dass sie nichts weiter als einige farbenfrohe Seiten in dem sehr schlichten Buch seines Lebens war. Doch er wusste bereits, dass er im Laufe seines Lebens immer wieder zu jenen wenigen Seiten zurückblättern würde.
Sie sollten miteinander reden. Er trug Aftershave auf, das seine Haut kühlte und prickeln ließ. Es lag bei ihm, dass sie es taten – ruhig, ernst und so bald wie möglich. Die Welt, sosehr er es sich nun auch wünschen mochte, bestand nicht nur aus zwei Menschen.
»Nathan, deine Zeit wird knapp!«
Jackies Stimme drang von unten herauf und durchbrach seine Träumerei. Tagträume waren ebenfalls etwas Neues in seinem Leben. Er fluchte auf sich selbst und begann hastig sich anzuziehen.
Nathan fand Jackie in der Küche, wo sie gerade die große rote Kühltasche schloss, während im Radio eine Band aus den Fünfzigerjahren ein romantisches Liebeslied spielte.
»Du hast Glück, dass ich entschieden habe, großzügig zu sein und dir weitere fünf Minuten zu gewähren . « Sie drehte sich um und musterte ihn. Er trug schwarze Shorts zu einem weißen Hemd, und sein Haar war noch ein wenig feucht. »Es hat sich gelohnt.«
Er war beinahe, aber nicht ganz, an ihre offenen und unverfrorenen Komplimente gewöhnt. »Was ist los, Jackie?«
»Ich habe es dir doch gesagt. Du bist gekidnappt . « Sie trat vor und schlang die Arme um seine Taille. »Wenn du zu fliehen versuchst, wird es gefährlich für dich . « Sie presste das Gesicht in seine Halsbeuge und schnupperte. »Ich liebe dein Aftershave.«
»Was ist in der Kühltasche?«
»Überraschungen. Setz dich doch. Du kannst Getreideflocken essen.«
»Getreideflocken?«
»Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, Nathan . « Sie küsste ihn schnell. »Du bekommst auch eine Banane . « Sie wandte sich ab und holte zwei Bananen. Während sie ihre schälte, erklärte sie: »Betrachte dich lieber für den heutigen Tag als meine Geisel und mach es uns leicht.«
»Was?«
»Wir haben die letzten Tage beide hart gearbeitet – nun, abgesehen von einem sehr denkwürdigen Tag . « Sie lächelte, während sie von der Banane abbiss. »Und der war auf seine Art erschöpfend. Daher mache ich eine Spazierfahrt mit dir.«
»Ich verstehe . « Nathan schnitt seine Banane in eine Schüssel mit Müsli. »An einen bestimmten Ort?«
»Nein. Irgendwohin. Iss du nur, ich bringe die Kühltasche ins Boot.«
»Ins Boot? Mein Boot?«
»Natürlich . « Sie nahm die Tasche und drehte sich mit einem Lächeln zu ihm um. »Sosehr ich dich auch liebe, Nathan, weiß ich doch, dass selbst du nicht übers Wasser gehen kannst. Der Kaffee ist übrigens heiß, aber beeil dich, ja?«
Er tat es, weil er mehr an ihrem Vorhaben interessiert war als an einer Schüssel Getreideflocken. Sie hatte das Radio angelassen, vermutlich für ihn. Nachdem er seine Schüssel ausgespült hatte, stellte er die Musik ab. Automatisch prüfte er die Vordertür. Jackie hatte sie offen gelassen. Er verschloss sie, ging dann zur Hintertür hinaus.
Jackie verstaute gerade die Vorräte unter Deck. Sie trug ein Top in leuchtendem Orange, passend zu ihren Shorts und dem Rahmen ihrer Sonnenbrille.
»Alles klar?« , fragte sie. »Leg ab, ja?«
»Du steuerst?«
»Sicher. Ich bin sozusagen auf einem Boot geboren worden . « Sie glitt hinter das Steuer und warf einen Blick zurück über die Schulter, als Nathan mit der Leine in der Hand zögerte. »Vertrau mir. Ich habe mir die Karte angesehen.«
»Nun, dann . « Mit einem ergebenen Seufzer löste er die Leinen und ging an Bord.
Jackie reichte ihm eine Tube. »Sonnenschutz . « Geschickt lenkte sie das Boot vom Steg fort. »Was hältst du von St. Thomas?«
»Jackie …«
»Es war doch bloß ein Scherz. Ich dachte nur, wie aufregend es sein müsste, den ganzen Kanal abzufahren. Einfach nur dahinfahren.«
Das hatte er sich auch vorgenommen, aber erst für später. Nach der Pensionierung vielleicht. Doch wenn Jackie es sagte, schien es bereits morgen möglich zu sein. Und es erweckte in ihm den Wunsch, es würde morgen passieren. Er schwieg, während er beobachtete, wie sie das Boot handhabte.
Er hätte wissen müssen, dass sie damit umzugehen verstand. Vielleicht konnte sie sich nicht erinnern, die Türen hinter sich zu
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