Gehetzt
kurz seinen Blick zu den Reihen der toten Deutschen, die das mörderische Feuer aus dem Besa niedergemäht hatte. Er empfand kein Bedauern, aber auch keine Freude, lediglich eine gewisse Befriedigung, daß sein Panzer, einer der wenigen des britischen Expeditionskorps, eine solche Effizienz bewiesen hatte.
Der Eisenbahntunnel lag nun dicht vor ihnen, vielleicht noch etwa hundert Meter entfernt. Die dunkle Öffnung wuchs immer höher. Und immer noch keine Spur von den Franzosen.
Auch dieser Frontabschnitt war vom Kampflärm erfüllt, von den dumpfen Abschüssen der schweren Artillerie, dem Winseln der Geschosse, dem Knattern der Gewehre und Maschinenpistolen. Deshalb bemerkte Barnes den heranjagenden Feind nicht. Außerdem fesselte ihn der Anblick der toten Ruinenstadt so sehr, daß er eine Minute lang vergaß, den Himmel nach feindlichen Flugzeugen abzusuchen.
Der Angriff der im Sturzflug herabstoßenden Messerschmidt, deren Leuchtspurgeschosse auf Bert zurasten, kam für Barnes völlig überraschend, von einer Sekunde auf die andere. Im letzten Moment tauchte er in den Turm und schloß hastig das Luk, wobei er sich beinahe die Finger einklemmte. Doch er war zu langsam, ein Geschoß zwitscherte durch den Spalt und verfehlte Barnes nur um Millimeter.
Im Panzer breitete sich Panik aus.
Bei geschlossenem Fahrer- und Turmluk konnte sich die Besatzung im Inneren eines MK II Matilda-Tanks im Jahr 1940 außer bei einem Direktangriff auf den Turm einigermaßen sicher fühlen. Doch findet die Kugel aus einem Gewehr oder einer Maschinenpistole durch irgendeinen unglücklichen Zufall mal den Weg ins Innere, verwandelte sich dieser relativ sichere Raum in eine tödliche Falle. Das Geschoß prallt mit ungeheurer Geschwindigkeit gegen Wände oder Armaturen der rollenden Festung und spritzt als Querschläger solange in alle Richtungen hin und her, bis es seine Geschwindigkeit verliert – meist durch den Einschlag in einen menschlichen Körper.
Die drei Männer im Turm hörten den heftigen Aufprall des Geschosses im Innern. Sie konnten nur die Köpfe einziehen und beten. Das Zirpen von Metall auf Metall dauerte nur Sekunden, doch diese Sekunden kosteten die ohnehin von der hin- und herwogenden Schlacht schon bis aufs äußerste erschöpften Männer ihre letzten Nerven- und Kraftreserven.
Nackte Angst überfiel sie.
Dann war es ruhig. Reynolds raste mit Vollgas auf den Tunnel zu.
Penn sprach als erster der drei Männer im Turm.
»Ich glaube, das Funkgerät ist getroffen.«
Barnes probierte rasch das Bordsprechgerät aus und klopfte gegen das Mikro an seinem Hals. Dabei beobachtete er Penn, der das Funkgerät überprüfte. Plötzlich überkam ihn eine schlimme Ahnung. Hastig kletterte er in den Turm, stieß das Luk auf und starrte in den klaren Morgenhimmel hinauf.
Diese verdammten Hunde! Das hatten sie schlau eingefädelt.
Sie hatten die Messerschmitt geschickt, um die Panzerbesatzung zu zwingen, das Turmluk zu schließen. Auf diese Weise hatte der Kommandant nur eine beschränkte Sicht und konnte das nächste Manöver nur ahnen. Im Bruchteil einer Sekunde erkannte Barnes, was da auf ihn und seine Männer zukam. Aus östlicher Richtung stürzte eine keilförmige Formation häßlicher, unförmiger Vögel auf Bert herab. Stukas!
Sie flogen eine Kehre. Barnes wartete darauf, daß der erste nach unten wegkippte, wartete auf das entnervende Heulen fallender Bomben, das selbst Toten noch Schrecken einjagte.
»Scheinwerfer einschalten«, befahl der Sergeant automatisch, während Bert auf den Tunnel zujagte.
Die erste Stuka kippte seitwärts weg, aus seinem Bauch fielen schwarze Eier. Barnes warf das Luk zu, sprang auf die schwenkbare Bodenplatte hinunter und drehte das Periskop in Richtung Tunneleingang.
»Wartet die ersten Dinger ab!« rief er über Bordfunk den anderen zu, hauptsächlich, um seinen Fahrer Reynolds zu warnen.
Sie hörten die erste Bombe fallen, der hohe Pfeifton verstärkte sich zu einem ohrenbetäubenden Heulen, das durch die dicken Panzerplatten drang und das schwere Brummen der Motoren völlig übertönte.
›Diesmal ist es ein Volltreffer‹, dachte Penn.
Er warf Davis einen Blick zu, doch der schaute krampfhaft zu Boden. Seine Wangenmuskeln mahlten, auf seiner Stirn bildeten sich Schweißperlen. Penns Augen wanderten zu Barnes, doch der Sergeant klebte förmlich am Periskop und ließ keinen Blick von dem näherkommenden Tunnel.
›Der Bursche hat anscheinend überhaupt keine Nerven‹, dachte
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