Gehetzt
Penn.
Die Bombe jaulte jetzt wie der Todesengel. Warum schlägt sie denn nicht endlich auf?
Vorn in der Nase des Panzers hörte auch Reynolds das Teufelsei kommen, und er mußte gegen eine Angstvision ankämpfen. Als das dunkle Tunnelloch immer größer wurde, fiel ihm ein Bericht ein, den er irgendwann einmal in irgendeiner Zeitung gelesen hatte. Er handelte von einem Spähwagen, der, um dem feindlichen Bombenhagel zu entgehen, gleichfalls in einen Tunnel geflohen und frontal gegen einen heranbrausenden Expreßzug geprallt war.
Unsinn, beruhigte Reynolds sich selbst, wer würde in der Hauptkampfzone schon Züge fahren lassen?
Der Tunneleingang lag dicht vor ihm – und im gleichen Augenblick detonierte die Bombe. Die Druckwelle traf den Tank mit voller Wucht und ließ die Panzerplatten in ihren Nieten erzittern, schien eine Sekunde lang das schwere Gefährt vom Bahndamm schleudern zu wollen. Einige lose Teile im Turm polterten auf die Bodenplatte, der Donner der Explosion hallte so laut im Innern wider, daß die Männer sekundenlang wie taub waren. Dann hörten sie die nächste Bombe – ein leises Pfeifen, das rasend schnell zu schrillem Heulen anschwoll. Diesmal war Barnes verdammt sicher, daß die Bombe sie erwischte: Ihr Heulen war viel lauter; sie schien genau auf den Turmaufbau zu fallen. Irgendwann in diesem verdammten Krieg mußte es ja mal so kommen – ein Ei genau auf das Turmluk, dann die Explosion in dieser Enge – aus.
Die Bombe schlug auf und detonierte. Der Tank hüpfte wie ein Spielzeugauto, die Druckwelle knallte wie ein Hammerschlag gegen die Panzerung, beißende Rauchschwaden drangen in den Geschützraum.
Das war verdammt nahe gewesen. Barnes warf einen Blick auf Davis, der immer noch den Blick zu Boden gesenkt hielt, als hinge davon sein Leben ab. Penn war blaß wie ein Leichentuch, sein sauber gestutzter Schnurrbart zitterte. Er preßte seine Lippen zusammen, um ihr Beben zu unterdrücken.
Dann schnitt er eine Grimasse und sagte: »Es hat geklopft. Wer kann das sein?«
Keiner lachte oder verzog auch nur eine Miene. Sie sahen einander gequält an und warteten auf die nächste Bombe, die heulend auf sie herabstürzte. Reynolds im Fahrerteil hatte das Gaspedal bis zum Anschlag durchgedrückt und kitzelte aus Bert ein Tempo heraus, von dem er bisher selbst nichts geahnt hatte. Die Tunnelöffnung füllte jetzt die ganze Breite seiner Sehschlitze. An aus dunklen Tunnels herandonnernde Züge verschwendete er plötzlich keinen Gedanken mehr. Seine Hände an den Steuerknüppeln waren naß, als hätte er sie in Wasser getaucht. Von seiner breiten Stirn lief ihm der Schweiß in die Augen. Trotzdem hielt er sie weit offen, erkannte, daß sich Berts Scheinwerfer jetzt wie Finger in das Dunkel des Tunnels fraßen.
Die dritte Bombe jaulte heran. Die Tunnelöffnung näherte sich mit rasender Geschwindigkeit, das Heulen wurde lauter und lauter, klang näher als das der ersten zwei Bomben.
»Bitte, Bert!« Lautlos formten Reynolds Lippen die Worte.
Der Tunneleingang verschluckte den Tank just in dem Augenblick, als die Bombe detonierte. Der Explosionsdruck hob Bert von hinten leicht an und schob ihn noch tiefer in den Hügel hinein. Sekundenbruchteile später ertönte ein lautes Poltern, das sich rasch zu einem dumpfen Rumpeln verstärkte.
Der Bahndamm bebte. Die Männer im Tank spürten deutlich die Vibrationen. Barnes fluchte laut, wirbelte das Periskop um hundertachtzig Grad herum und schaute zurück. Eigentlich hätte ihm jetzt ein bogenförmiger Flecken Tageslicht entgegenschimmern müssen, doch alles lag in undurchdringlichem Dunkel.
Die letzte Bombe war genau oberhalb des Tunnels eingeschlagen, die Explosion hatte den Hügelhang abrutschen lassen und den Eingang verschüttet.
»Sofort anhalten, aber den Motor laufen lassen«, rief Barnes ins Mikro.
Das durfte auf keinen Fall passieren, daß hier im Tunnel der Motor abstarb. Er warf seinen Leuten einen Blick zu, den sie stumm erwiderten, wie gelähmt von dieser plötzlichen Stille.
Außer dem Brummen des Motors war nichts zu hören, keine heranjaulenden Granaten, keine herabstürzenden Bomben – nichts!
Langsam stieg Barnes in den Turm und schob das Luk auf.
Ihm kam es vor, als klettere er in eine unterirdische Höhle hinaus, nur schwach erhellt von Berts Scheinwerferschlitzen.
Sein Magen verkrampfte sich, als er den starken Strahl seiner Taschenlampe langsam durch die dunklen Nischen und über die rauhe Felsoberfläche wandern ließ.
Weitere Kostenlose Bücher