Gehetzte Uhrmacher
Building. Aus dem IAD könnte etwas durchsickern, und die Leute wären gewarnt.«
»Das könnte sein«, meinte Sellitto. »Und Sie haben keine Einwände erhoben, denn Sie wollten Ihren Fall behalten.«
Sie sah ihm in die Augen. »Stimmt.«
»Also haben Sie bekommen, worum Sie gebeten haben.« Er lachte auf.
»Was?«
»Nun sind Sie der vorgeschobene Kundschafter.«
»Wieso auch nicht?«
»Sie sollten sich lediglich des Risikos bewusst sein. Falls etwas schiefgeht, irgendetwas – jemand wird fälschlich beschuldigt, irgendein Straftäter kommt davon -, klebt die Scheiße an Ihren Fingern, auch wenn Sie alles richtig gemacht haben. Flaherty wäscht ihre Hände in Unschuld, und das IAD hat eine weiße Weste. Falls Sie aber Erfolg haben und die Leute zu fassen kriegen, nimmt man Ihnen die Sache ab, und plötzlich kennt niemand mehr Ihren Namen.«
»Sie wollen sagen, man hat mich gelinkt?« Sachs schüttelte den Kopf. »Aber anfangs wollte Flaherty mir den Fall gar nicht lassen, sondern einem ihrer Leute übertragen.«
»Amelia, kommen Sie schon. Am Ende einer Verabredung sagt der Junge: ›He, es war ein schöner Abend, aber es ist vermutlich besser, ich bitte dich nicht noch zu mir nach oben.‹ Was wird das Mädchen wohl darauf erwidern?«
»›Lass uns nach oben gehen.‹ Was er von Anfang an bezweckt hat. Soll das heißen, Flaherty hat mich manipuliert?«
»Ich sage bloß, sie hat Ihnen den Fall nicht weggenommen, richtig? Was sie ohne Weiteres hätte tun können.«
Sachs kratzte sich geistesabwesend am Kopf. Bei dem Gedanken an die politischen Winkelzüge der polizeilichen Führungsetage zog sich ihr Magen zusammen – das war für sie weitgehend unbekanntes Terrain.
»Ich will auf Folgendes hinaus: Ich wünschte, Sie würden nicht in einem solchen Fall ermitteln, nicht am jetzigen Punkt Ihrer Laufbahn. Aber es ist nun mal so gekommen. Deshalb dürfen Sie auf keinen Fall vergessen, rechtzeitig den Kopf einzuziehen. Bleiben Sie um Himmels willen unsichtbar.«
»Ich...«
»Lassen Sie mich ausreden. Unsichtbar aus zwei Gründen. Erstens, sobald jemand mitbekommt, dass Sie hinter kriminellen Polizisten her sind, gehen die Gerüchte los – über diesen Beamten, der
gern Geldgeschenke annimmt, oder jenen Beamten, der Beweise verschwinden lässt, was auch immer. Dass diese Leute in Wahrheit unschuldig sind, interessiert keinen. Gerüchte sind wie die Grippe. Man kann sie nicht wieder wegzaubern. Sie breiten sich aus und ruinieren das Leben anderer Menschen.«
Sie nickte. »Und der zweite Grund?«
»Bloß weil Sie eine Dienstmarke tragen, dürfen Sie sich nicht für unverwundbar halten. Falls ein Streifenbeamter im Eins Eins Acht Dreck am Stecken hat, wird er Sie deswegen nicht umlegen. So weit kommt es nicht. Aber die Zivilisten, mit denen er zu tun hat, werden nicht nach seiner Meinung fragen. Die werden keine Sekunde zögern, Ihre Leiche im Kofferraum eines Wagens auf dem Langzeitparkplatz des Flughafens abzustellen... Gott schütze Sie, Kleines. Holen Sie sich diese Ärsche. Aber seien Sie vorsichtig. Ich will Lincoln nicht eines Tages eine schlimme Nachricht überbringen müssen. Das würde er mir niemals verzeihen.«
Während Sachs noch auf dem Flur stand, zur Küche sah und über das nachdachte, was Sellitto zu ihr gesagt hatte, klingelte Ron Pulaski an der Tür.
Sie ließ ihn herein und setzte ihn über die neuesten Ereignisse im Fall des Uhrmachers in Kenntnis. »Was ist mit diesem Sarkowski?«, fragte sie dann.
Er klappte sein Notizbuch auf. »Ich habe seine Witwe ausfindig gemacht und zwecks Befragung kontaktiert. Also, der Verstorbene war ein siebenundfünfzigjähriger Weißer, dem eine Firma in Manhattan gehört hat. Er war nicht vorbestraft. Am vierten November dieses Jahres wurde er ermordet und hinterließ besagte Witwe und zwei halbwüchsige Kinder, eines männlich, eines weiblich. Todesursache war eine Schussverletzung. Er...«
»Ron?«, fragte sie in einem ganz bestimmten Tonfall.
Er zuckte zusammen. »Oh, Verzeihung. Flüssiger, alles klar.«
Sachs sah ihn abwartend an.
Der Neuling fuhr etwas lockerer fort. »Ihm hat ein Haus an der West Side gehört, in dem er auch selbst gewohnt hat. Sein Unternehmen erledigt im ganzen Stadtgebiet für mehrere große Firmen und Einrichtungen Wartungsarbeiten und übernimmt die Müllentsorgung.« Gegen den Betrieb lag nichts vor – weder auf Bundesnoch
auf Staats- oder städtischer Ebene. Keine Verbindungen zum organisierten Verbrechen,
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