Gehirnfluesterer
richtigen Worte finden, das richtige sprachliche Kraftfeld herstellen, das, was man sagen will,
in den richtigen Rahmen stellen, und jeder, mit dem man auf diese Weise spricht, wird glauben wollen, was er oder sie zu hören
bekommt. Denn auf den ersten Blick glaubt man es auf jeden Fall, in den ersten paar hundert Millisekunden. Zu überzeugen ist
leichter, als man denkt. Es geht nicht darum, die Menschen etwas glauben zu machen. Es geht darum zu verhindern, dass sie
von diesem Glauben wieder abfallen.
Und hier tritt dann die Inkongruenz, der Überraschungseffekt, ins Rampenlicht. Sie erinnern sich zum Beispiel an die Käufer
von Weihnachtskarten in Kapitel 6, die nur kauften, weil der Hausierer den Preis in Cent und nicht in Dollar genannt hatte?
Aber die Wirkung trat nur ein, wenn sofort der Hinweis auf das Schnäppchen folgte. Man muss kein Genie sein, um zu sehen,
was da vor sich geht. Es ist der umgekehrte »Gilbert-Effekt«. Die Kunden werden mit einem Standardwerbespruch konfrontiert:
»Es ist ein Schnäppchen!«, aber sie sind so verwirrt durch den Unsinn, der vorher passierte, dass sie vergessen, diese Behauptung
nicht zu glauben. Während ihr Hirn mit wie viel Tausenden Cents auch immer beschäftigt ist, die sie für die Weihnachtskarten
rausrücken sollen, bricht das Sicherheitssystem zusammen und die Türen sind weit offen.
Daraus ergeben sich ziemlich klare Schlussfolgerungen. Wenn man die Antikörperproduktion des Hirns gegen Glauben reduziert,
und zwar lange genug, dass der Virus der Information, die wir verbreiten wollen, eindringen und sich festsetzen kann, dann
gibt es keine Grenzen für Überzeugung. Das Problem besteht nur darin, dieses Immunsystem zusammenbrechen zu lassen.
Überzeugung unter Druck
Mein persönliches Glaubensimmuninsuffizienzdefiziterlebnis hatte ich während der Dreharbeiten zu einem Pilotfilm für eine
Fernsehshow zum Thema Überzeugung. Das Setting war militärisch. Die Frage war, was macht einen guten Vernehmungsoffizier aus?
Kann das jeder? Oder gibt es – wie überall – Naturtalente? Klischeevorstellungen aus der Populärkultur legen nahe, dass es
eher Bösartigkeit als Brillanz ist, die den Ausschlag gibt, wann sich Männer von Jungs unterscheiden. Aber die Forschung,
sowohl was das militärische wie das juristische Feld angeht, wirft ein ganz anderes Licht auf das Thema. Die besten Verhörtechniken
der Welt haben weniger mit Gewalt zu tun als vielmehr große Ähnlichkeit mit den Techniken der besten Betrüger.Sie marschieren nicht, sondern sie schleichen sich ein. Sie brechen eher ins Gehirn ein, als dass sie uns die Backenzähne
herausbrechen. Und greifen auf uralte psychologische Tricks zurück.
Um herauszufinden, wo meine eigenen Grenzen lagen, hatte irgendein Schlauberger die glänzende Idee, dass ich gegen Profis
antreten sollte: der Elfenbeinturmbewohner aus Cambridge gegen Gedankenleserspezialisten der Sondereinsatztruppen. Ich hatte
drei Informationen, die ich um jeden Preis vor denjenigen geheim halten sollte, die mich »gefangen genommen« hatten. Die wiederum
sollten mit einer Kombination aus physischen und psychischen Mitteln versuchen, mir diese Informationen zu entreißen.
Hörte sich durchaus interessant an, bis ich auf einen der Vernehmer traf.
»Mit wie viel Gewalt muss ich rechnen?«, fragte ich Dave, während wir im Café saßen und einen Latte macchiato tranken.
Er lächelte.
»Es ist nicht Gewalt, mit der dein Widerstand gebrochen wird«, sagte er. »Es ist die Androhung von Gewalt. Die krebsartige
Ausbreitung des Gedankens in deinem Hirn, dass irgendetwas absolut Furchtbares passieren wird, und zwar bald.«
»Bist du sicher, dass du mir das erzählen solltest?«, lachte ich.
»Es macht keinen Unterschied«, antwortete er. »Selbst wenn du weißt, dass wir dich nicht töten werden, wird es dir nichts
nutzen. Was dich zu Fall bringt, ist in deinem eigenen Hirn.« Er tippte sich an den Kopf. »Klar, jetzt bist du dir sicher,
dass wir dich nicht umbringen werden. Aber wenn wir erst mal anfangen, dann wirst du bald vom Gegenteil überzeugt sein.«
Ehrlich gesagt war ich skeptisch. Aber dann machte Dave mir an einem Beispiel anschaulich, was bei einem solchen Verhör passiert
– und was auch mir bevorstand. »In diesem Stadium ist der Kandidat normalerweise ganz aufgelöst … Das Letzte, was er sieht, bevor wir ihm die Kapuze über den Kopf ziehen, ist ein riesiger Laster. Wir legen ihn
Weitere Kostenlose Bücher