Gehirnfluesterer
Untersuchungen
haben gezeigt, dass Wähler den Kandidaten überzeugenderund glaubwürdiger finden, der ein »ehrliches« Kindergesicht hat. Ein Kandidat mit einem »undurchdringlichen« Erwachsenengesicht
vermag weniger zu überzeugen. Wenn es allerdings um den Sachverstand eines Kandidaten geht, wird der mit einem »gescheiten«
Erwachsenengesicht für überzeugender gehalten. Es ist hochinteressant, die Gesichter von Politikern im Hinblick darauf zu
vergleichen, wer als ehrlicher gilt. Ein Team der Universität Kent hat 2008 hundert unbeteiligte Menschen gebeten, auf einer
Skala von 1 bis 5 Gesichter danach zu bewerten, wen sie für besonders glaubwürdig halten. Aus den Ergebnissen haben sie eine Anzahl von Merkmalen
herausgefiltert, die wir generell mit Ehrlichkeit in Verbindung bringen: ein volleres, eher rundes Gesicht, eine weiche Kinnlinie,
große, runde Augen. Und weiche Augenbrauen. Bärte wurden mit großem Misstrauen betrachtet. Aber eine zierliche Nase und ein
gerundeter Mund wurden durchweg positiv bewertet.
Die Gesichter diverser Politiker wurden mit Hilfe eines digitalen Bildbearbeitungsprogramms verändert und dann wurde dieunterschiedliche Wirkung zwischen ihrem realen Aussehen und ihren vertrauenswürdigen bzw. nicht vertrauenswürdigen Avataren
überprüft. Das Programm war nicht das Einzige, das für Stirnrunzeln sorgte. Sehen Sie in der Abbildung unten den Unterschied
zwischen Gordon Browns normalem Gesicht und dem seines »vertrauenswürdigen« Klons. Und dasselbe noch mal für David Cameron.
Brown kommt schlecht weg wegen seiner dicken Augenbrauen, seiner großen Nase und der Größe seines Mundes. Cameron hat es leichter
mit seinen jugendlichen Zügen, dem weicheren Mund und den runderen Augen. Plastische Chirurgie als Ausweg? Das ist vermutlich
nur eine Frage der Zeit …
Die digital manipulierten Bilder von Gordon Brown und David Cameron: von links nach rechts das Original, das glaubwürdigere
Bild und das weniger glaubwürdige Bild.
Solche Studien sind nur die Spitze des Eisbergs. Forscher haben alle möglichen Unterschiede in der Reaktion auf kindlich bzw.
erwachsen wirkende Menschen (und deren soziale Folgen) aufgedeckt. Beziehungsweise wie unterschiedlich wir mit beiden Gruppen
interagieren. In Beziehungen etwa trauen Frauen eher einem Mann mit Kindergesicht als seinem reifer wirkenden Gegenstück.
Vor Gericht hält man kindergesichtige Angeklagte eher eines Verbrechens aus Fahrlässigkeit denn aus Vorsatz für schuldig und
umgekehrt. In der Berufswelt wiederum wird man in Machtpositionen weniger »Babyfaces« finden als reif wirkende Individuen.
Betrachten Sie die folgenden historischen Fotografien von Schülern einer militärischen Kadettenanstalt:
Können Sie auf der Basis der äußeren Erscheinung vorrasusagen, wie erfolgreich diese vier jungen Männer in ihrer weiteren
Offizierskarrieresein werden? Können Sie anhand ihres Aussehens zu Beginn ihrer Laufbahn abschätzen, welchen Rang sie am Ende ihrer Dienstzeit
erreicht haben werden? Probieren Sie es aus. Ordnen Sie die Bilder nach dem von Ihnen erwarteten Erfolg und notieren Sie die
Reihenfolge.
Was steht auf Ihrem Zettel? Wenn Sie ACBD notiert haben, dann ist Ihre Wahl die gleiche wie die von achtzig Prozent der Bevölkerung.
Und der Grund? Sie und die anderen haben die Kandidaten nach der zunehmenden Kindlichkeit ihrer Gesichter geordnet. Das Gesicht
links zeigt die stereotypen Züge eines reifen Gesichts: kleinere Augen, tiefer liegende Augenbrauen, längere Nase, »härtere«,
eher eckige Wangenpartie, ausgeprägtes Kinn. Solche Gesichter verbinden wir mit »Dominanz«. Das Gesicht rechts dagegen zeigt
die stereotypen Züge eines »Kindergesichts«: größere Augen, höhere Augenbrauen, 4 eine kürzere Nase, »weichere« Wangen und kleineres Kinn. Solche Züge assoziieren wir eher mit Unterordnung.
Tatsächlich jedoch haben die jungen Männer alle vier ein hohes militärisches Amt erlangt. Die nächsten Abbildungen zeigen
dieselben vier Männer auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Die Bilderfolge zeigt von links nach rechts: Lieutenant General Lincoln
Faurer, Chef der U.S. National Security Agency; General Wallace Hall Nutting, Befehlshaber des U.S. Readiness Command; General John Adams Wickham jr., Stabschef, U.S. Army; General Charles Alvin Gabriel, Stabschef, U.S. Air Force.
Leben am Abgrund
Im März 2004 verübte Keith Lanes Ehefrau Maggie
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