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Gehirnfluesterer

Gehirnfluesterer

Titel: Gehirnfluesterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Dutton
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Elektroschocks echt. In Wirklichkeit ging es um Gehorsam und Willfährigkeit und die Schocks
     waren nicht echt. Milgram wollte herausfinden, wie weit unauffällige, gesetzestreue Bürger in ihrem Handeln gehen, wenn sie
     von einer Autoritätsperson dazu aufgefordert werden. Sage und schreibe 65   Prozent der Versuchsteilnehmer drehten den Knopf bis zum Anschlag, wenn ein gütig wirkender Professor mit weißem Kittel, Kordhosen
     und mit einer großen, dicken Brille das verlangte. Wenn der Professor jedoch aus dem Labor schlurfte und ein Techniker – in
     Jeans, T-Shirt und Turnschuhen – übernahm, gingen sie deutlich weniger gnadenlos vor. Dieses Experiment fand in den ehrwürdigen Hallen der
     Yale University statt. In einer Folgestudie wurde der Anschein wissenschaftlicher Autorität heruntergeschraubt. Nun erteilten
     nur 25   Prozent der Teilnehmer die schwersten Stromstöße. Immer noch erschreckend, aber nicht mehr ganz so. Wenn das Vertrauen schwindet,
     schwindet auch alles andere.
    Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, heißt es. Aber kann womöglich ein Bild auch zu viel sagen? Die Frage erscheint zunächst
     merkwürdig. Doch es gibt Belege, dass vor Gericht etwa die Benutzung von Kernspinaufnahmen des Gehirns die Dinge vermasseln
     kann. Eine neue Studie von David McCabe von der Colorado State University und Alan Castel von der University of California
     in Los Angeles legt nahe, dass der Nutzen, den die Aufnahmen haben, durch ihre Neigung zu verwirren aufgehoben wird. McCabe
     und Castel legten den Teilnehmernder Studie eine Reihe fiktiver neurowissenschaftlicher Artikel vor, die allerhand fragwürdige Behauptungen enthielten (z.   B., dass Fernsehen die mathematischen Fähigkeiten verbessert). Einige Teilnehmer erhielten nur den Text, andere zusätzlich
     Aufnahmen vom Gehirn und Balkendiagramme. Wer hielt die Artikel für glaubwürdiger? Sie können es sich denken. Diejenigen,
     die zusätzlich die Aufnahmen erhalten hatten.
    Statistiken können, entsprechend eingesetzt, dieselben psychologischen Wirkungen haben. Zu Beginn des Mordprozesses gegen
     O.   J.   Simpson 1995 war die Wahrscheinlichkeit eines Freispruchs denkbar gering. Aber sein brillanter Verteidiger Alan Dershowitz
     hatte einige hervorragende Ideen. Ungefähr vier Millionen Amerikanerinnen werden jedes Jahr von ihren Partnern geschlagen,
     teilte er dem Gericht selbstbewusst mit. Aber es seien (im Jahr 1992) nur 1432 von den Tätern getötet worden. Also sei die
     Wahrscheinlichkeit, dass sein Klient das getan habe, ungefähr 1: 2800.   Die Jury war beeindruckt von Dershowitz’ heimtückischer Arithmetik. Simpson verließ das Gericht nach einem Prozess, der 251   Tage dauerte, als freier Mann.
    Aber die Rechnung stimmte nicht, wie sich herausstellte.
    Denn die Statistik, die der Anklage nicht bekannt war, wies in eine völlig andere Richtung. Simpsons Ehefrau war ermordet
     worden. Und von den 1432 ermordeten Frauen waren neunzig Prozent ein Opfer ihrer Ehemänner geworden.
    Das Vertrauen in sich
    Der Psychologe Paul Zarnoth und seine Mitarbeiter von der University of Illinois haben die Wirkung von Vertrauen auf kognitive
     Funktionen untersucht. Genauer, wie eine Aura der Selbstsicherheit die Umgebung mit Glaubwürdigkeit einnebelt. Zarnoth stellte
     den Teilnehmern der Studie eine Reihe unterschiedlicher Aufgaben (mathematische, logische und prognostische) und fragte sie
     jedes Mal danach, wie sicher sie sich seien, dass sie richtig geantwortet haben. Die Teilnehmer antworteten erst einzelnund dann noch mal in kleinen Gruppen. In keinem Fall erfuhren sie vorher, wie gut ihre Leistung wirklich gewesen war.
    Die Ergebnisse waren bemerkenswert. Die Antworten von Gruppen, so stellte er fest, schienen einem Muster zu folgen. Sie hatten
     die Tendenz, die individuelle Antwort derjenigen Gruppenmitglieder mit dem größten Selbstvertrauen widerzuspiegeln – auch
     wenn sie zufällig falschlagen. Das heißt also, schloss Zarnoth, dass denjenigen Personen, die als diejenigen mit dem größten
     Selbstvertrauen wahrgenommen wurden, auch die größte Kompetenz zugestanden wurde und dass sie die Aufgaben sehr wahrscheinlich
     richtig gelöst hatten.
    Und es gehört nicht viel dazu, als selbstbewusst wahrgenommen zu werden. Erstaunlich wenig sogar. In der Politik zum Beispiel,
     das haben Studien gezeigt, ist der stärkste Faktor für die Popularität eines Kandidaten sein Annäherungsverhalten, zum Beispiel,
     wenn er sich bei einem

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