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Gehirnfluesterer

Gehirnfluesterer

Titel: Gehirnfluesterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Dutton
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Worum geht es da?
    Drew Westen, Professor für politische Psychologie an der Emory University, weiß es. »Wenn du Herz und Kopf gewinnen willst,
     dann beginne mit dem Herzen«, sagt er. Westen und seine Mitarbeiter haben eine Reihe von Studien durchgeführt, um die Wirkung
     genau einer solchen emotionalen Einlage zu überprüfen, nicht in der Werbung, sondern in der Politik. Was passiert, fragte
     sich Westen, wenn man eine Gruppe von eingefleischten Republikanern und eine Gruppe von eingefleischten Demokraten mit zwei
     Aussagen – zwei widersprüchlichen Statements –ihrer eigenen Parteichefs konfrontiert? In diesem Fall waren es der Republikaner George W.   Bush und der Demokrat John Kerry.
    Würden sie sich darüber ärgern? Und wenn ja, über welches der Statements würden sie sich ärgern?
    Um das herauszufinden, ging Westen folgendermaßen vor: Im Wahlkampf vor der Präsidentschaftswahl 2004 trug er von beiden Seiten
     widersprüchliche Argumente zusammen, insgesamt zwölf. Sechs von der einen und sechs von der anderen Partei. Es handelte sich
     um echte Hämmer, nicht nur um kleinere Unstimmigkeiten. Er zeigte sie beiden, Republikanern und Demokraten, mit Hilfe von
     Dias, während die Versuchspersonen an einen Kernspintomographen angeschlossen waren.
    Das Ergebnis war erschütternd. Für einen neutralen Beobachter waren die Widersprüche evident. Das waren sie auch für die Republikaner
     und die Demokraten, solange sie von der anderen Seite kamen. Aber konnten Republikaner oder Demokraten die Widersprüche in
     den Aussagen ihrer eigenen Kandidaten erkennen? Keine Chance. Auf einer Skala von 1 bis 4, auf der 1 »überhaupt nicht widersprüchlich«
     und 4 »total widersprüchlich« bedeutete, lag die durchschnittliche Bewertung der Äußerungen aus dem eigenen Lager bei 2 und
     aus dem gegnerischen Lager bei 4.   Sie werden es sich schon gedacht haben. Mit anderen Worten: Beide Seiten konnten nur den Splitter im Auge des anderen sehen.
    Und was ging in den Köpfen der Teilnehmer vor, während sie solchen Dissonanzen ausgesetzt waren? Am Anfang gab es einen Ausbruch
     negativer Emotion im Gehirn (speziell im präfrontalen und parietalen Cortex). Im weiteren Verlauf des Experiments geschah
     etwas sehr Interessantes. Die neuronalen Schaltkreise, die mit der Regulierung von Gefühlen zu tun haben (wiederum im präfrontalen
     Cortex sowie im Hippocampus, siehe Abbildung Seite 50), begannen zu feuern. Und zwar gewaltig. Und dann begannen nicht nur
     die anfänglichen negativen Emotionen sich zu verflüchtigen. Die Areale im Gehirn, die mit positiven Emotionen verbunden sind,
     kamen auf die Party. Die Teilnehmer fingen nicht nur an, sich besser zu fühlen. sondernsogar richtig gut. Kaum hatten sich ihre Gehirne von dem anfänglichen Schock der Widersprüchlichkeit erholt, schon setzten
     sie das in Gefühle um, indem sie irgendwie die Widersprüche unter einen Hut brachten. Und sich selbst dafür belohnten, dass
     sie das getan hatten.
    Das Große verdeckt das Kleine
    Die Ergebnisse von Drew Westens Experiment werfen ein Licht auf das, was in Überzeugungsprozessen im Gehirn passiert. Nicht
     nur in der Politik, sondern ganz allgemein. Zunächst haben Fakten nicht immer eine besondere Bedeutung. Als Mittel der Beeinflussung
     werden sie überschätzt. Wenn es hart auf hart kommt und die Anforderungen schwierig und andere Saiten aufgezogen werden, dann
     verwendet das Hirn, wie es scheint, viel Zeit darauf, sich hinter dem Herzen zu verstecken. Nur zur Erinnerung: Alles, was
     in den Gehirnen der Teilnehmer von Westens Experiment passierte, spielte sich im
emotionalen
Bereich ab. Die
kognitive
Nachbarschaft trat nicht in Erscheinung.
    Forscher, die sich mit der Änderung von Meinungen befassen, haben genau gezeigt, wann Fakten wichtig sind und wann nicht,
     wenn es um Überzeugung geht. Allgemein kann man sagen, wenn eine Meinung kognitiver Natur ist, d.   h. wenn sie darauf beruht, wie wir über etwas denken, dann bieten logische, rationale Argumente im Großen und Ganzen das effektivste
     Mittel der Überzeugung. Wenn eine Haltung jedoch vorrangig gefühlsbestimmt ist, d.   h. wenn sie darauf beruht, was wir fühlen, dann muss man an die Gefühle appellieren.
    Das klingt kompliziert, aber eigentlich wissen wir alle darüber Bescheid. Zum Beispiel die Werbeindustrie. Wer auch immer
     versuchen sollte, ein neues Parfum an den Mann oder die Frau zu bringen, indem er seine chemische Zusammensetzung

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