Gehirntraining - Ueber Die Benutzung Des Kopfes.
nähern sich der Nachbarzelle bis auf einen kleinen synaptischen Spalt von wenigen Nanometern Breite. Signalübertragung im Nervengewebe ist einerseits Physik in Form elektrischer Impulse an der Zellmembran und andererseits Chemie. Botenstoffe, Neurotransmitter genannt, überwinden den synaptischen Spalt, um wiederum auf der Nachbarzelle ein Signal auszulösen.
Diese Signalweiterleitung im komplexen Geflecht von Hirnzelle zu Hirnzelle ist ein Vorgang, der sich zu jeder Zeit, ob wach oder im Schlaf, ständig tausendfach wiederholt. Nun ist dieses Netzwerk im Gehirn aber nicht starr, wie etwa die verlöteten Verbindungen in elektrischen Schaltkreisen eines Transistors, sondern es ist ständig in Veränderung, es ist plastisch. Sowohl die Anzahl der Synapsen als auch deren Stärke und Größe verändern sich zu jeder Zeit mit der Information. Bei einem Menschen im Säuglingsalter hat jede Gehirnzelle etwa 2500 synaptische Kontakte, mit drei Jahren etwa 15 000. Im Alter bleibt dieser synaptische Neu- und Umbildungsprozess größtenteils erhalten. Das Gehirn des Menschen ist lebenslang wandlungsfähig. Nach herrschender Meinung ist die zentrale Voraussetzung für Vorgänge wie Lernen und Gedächtnis genau diese Formbarkeit.
Wenn wir sehen, denken, erkennen, fühlen oder handeln, bilden sich neue Verknüpfungen, die dann länger oder eben etwas kürzer bestehen. So weiß man seit einigen
Jahren, dass das Andocken des Neurotransmitters an seine Zielzelle dort vielfältige biochemische Prozesse auslöst und dabei auch Enzyme zur Synthese von Molekülen in den Zellen anschaltet. Signale hinterlassen somit ihre biochemische Spur in der Zielzelle. Beim Kurzzeitgedächtnis eines Menschen etwa wird durch einen »zweiten Boten« die Verbindung zwischen Ausgangs- und Zielzelle kurzzeitig gestärkt. Bei einer Intensivierung der Übertragung bleibt dieser Botenstoff länger erhalten und aktiviert über das Protein »Creb« bestimmte Genprogramme. Durch diese Prozesse wird ein flüchtiger Gedächtnisinhalt in unserem Langzeitgedächtnis fixiert, so die herrschende Meinung. Creb, das seinen Namen dem Nobelpreisträger Eric Kandel verdankt, gilt als der biochemische Hauptschalter des Langzeitgedächtnisses. Die elektrophysiologische Entsprechung des sich wiederholenden Signalflusses an den Synapsen ist die sogenannte Langzeit-Potenzierung (LTP) - die sich gegenseitig verstärkende Wechselwirkung zwischen dauerhaft »feuernden« Nervenzellen.
Trotz unseres heutigen Detailwissens gibt uns unser Gehirn noch viele Rätsel auf. Beispielsweise, was genau passiert, wenn das empfindliche Zusammenspiel dieser Moleküle bei der Neurotransmission gestört ist. Acetylcholin, Serotonin, Glutamat, Dopamin, Noradrenalin - das sind allesamt Namen natürlicher Neurotransmitter. Gibt es die richtige Menge davon an der richtigen Stelle und vor allem zur rechten Zeit, funktioniert unser Gehirn perfekt. Gibt es auf Dauer zu wenig, kommt es im schlimmsten Fall zu Nervenkrankheiten. Zum Glück gibt es Medikamente, die einen Verlust an Neurotransmittern
im Krankheitsfall zumindest teilweise ausgleichen können.
Mehr und mehr jedoch finden genau diese Substanzen, entwickelt für das kranke Gehirn, ihren Weg zum gesunden Menschen und in den Alltag unserer Leistungsgesellschaft. Bekannt unter verharmlosenden Namen wie »Neuropusher«, »Brainbooster« oder »Gedächtnisverstärker«, werden solche leistungssteigernden Mittel in bestimmten Gesellschaftskreisen mehr und mehr zur Normalität. In einer in diesem Jahr veröffentlichten, nicht repräsentativen Umfrage des Wissenschaftsjournals »Nature« gab ein Fünftel der befragten Forscher an, bereits Pharmaka zur Leistungssteigerung des Gehirns eingesetzt zu haben. Zwölf Prozent aus dieser Gruppe berichteten gar von einer regelmäßigen Einnahme.
Chemische Substanzen wie Methylphenidat (»Ritalin«), Modafinil (»Vigil«), Fluoxetin (»Prozac«, »Fluctin«), aber auch Kokain, kommen bei den sogenannten geistigen Eliten und Führungskräften unserer Gesellschaft zusehends zum Einsatz. Man handelt nach dem Motto: »Allzeit zur Bestform bereit!« Schon Studierende erfreuen sich an konzentrations- und leistungssteigernden Drogen. In den Vereinigten Staaten »dopen« sich bereits heute 16 bis 25 Prozent der Prüflinge regelmäßig pharmakologisch. Die Verfügbarkeit der in der Regel verschreibungspflichtigen Substanzen durch weltweit aktive Apotheken im Internet wird diese Zahlen weiter steigen lassen. Aber
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