Gehirntraining - Ueber Die Benutzung Des Kopfes.
welche Effekte haben eigentlich diese Substanzen an den Nervenzellen?
Ritalin ist ein dem Amphetamin ähnliches Pharmakon und hemmt die Wiederaufnahme von Dopamin und Noradrenalin.
Dadurch werden diese Signalboten nicht, wie im gesunden Gehirn vorgesehen, nach getaner Arbeit durch Transportsysteme entfernt, sondern sie sind dort länger aktiv und senden wiederholte, lange anhaltende Signale. Klinisch hauptsächlich im Einsatz bei der Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung oder der Narkolepsie - einer anfallartigen Schlafattacke -, steigert es die Konzentrationsfähigkeit. Zahlreiche Nebenwirkungen dieses Medikaments, das dem Betäubungsmittelgesetz unterliegt, darunter Herzrasen, Schlaflosigkeit, Blutdruckerhöhung, sind bekannt. Eine Hirnpille, die zusätzlich auch noch schlauer machen soll, ist das Modafinil. Ebenfalls ursprünglich gegen Narkolepsie entwickelt, unterscheidet es sich als Psychostimulans chemisch deutlich von Amphetaminen. Dieser Gedächtnisverstärker wird unter Kerngesunden immer beliebter, etwa, um bei Bedarf mehrere Tage und Nächte durcharbeiten zu können. Trotz vieler Nebenwirkungen und der Unkenntnis, wie dieses vermeintliche Wundermittel, das einer amerikanischen Firma jährlich hohe dreistellige Millionenumsätze beschert, im Detail wirkt, steigt die Nachfrage rasant.
Zusätzlich scheint heute ja nicht nur die ständige geistige Höchstleistung wichtig, sondern man sollte dabei natürlich auch stets »gut drauf« sein. Daher finden auch Medikamente gegen Depression mehr und mehr gesunde Anwender. Besonders verbreitet ist dabei der Wirkstoff Fluoxetin, in Deutschland unter dem Namen Fluctin, in Amerika als Prozac bekannt. Fluoxetin ist ein selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer und verhindert die Entfernung des Serotonins aus dem Synapsenspalt. Soll
es bei Patienten stimmungsaufhellend wirken, wird Fluoxetin auch gerne von Gesunden zur Verbesserung der Laune unter Stressbedingungen eingesetzt und ist besonders in Managerkreisen beliebt. Bereits im Jahre 1975 patentiert, wird Fluoxetin nach wie vor intensiv beforscht. Teilweise ist man dabei auf der Suche nach neuen Wirkungen mit der legitimen Hoffnung auf neue Anwendungspatente. Erst im April veröffentlichte das Wissenschaftsmagazin Science interessante Ergebnisse über eine solche neue Aktivität. Italienische Wissenschaftler fanden heraus, dass das Mittel bei Mäusen die neuronale Plastizität des für das Sehen verantwortlichen Bereichs des Gehirns fördern kann. Falls auf den Menschen übertragbar, könnte dies nicht nur für die Behandlung der Schwachsichtigkeit, sondern auch für die Therapie degenerativer Hirnerkrankungen wichtig sein. Bei all dem möglichen neuen Potenzial, als »Glücklichmacher« für Gesunde ist diese Substanz auf Dauer sicher nicht sinnvoll.
Und die Zahl der leistungssteigernden Substanzen wächst weiter. Neuere Entwicklungen erscheinen oft zunächst verkleidet als Medikamente gegen die unheilbare Alzheimer-Krankheit oder sind Nebenprodukte solcher Entwicklungslinien. Zynisch, aber wahr. Aus den Forschungslabors der kalifornischen Firma Cortex Pharmaceuticals stammen die Ampakine, die an Rezeptoren für Glutamat binden. Der aktuell heißeste Kandidat mit dem Laborkürzel CX717 hat in ersten klinischen Untersuchungen Aufmerksamkeit, Kognition und Gedächtnis verbessert. Sollten sich diese Befunde bestätigen, wäre ein solches Medikament natürlich von größter Bedeutung für Alzheimer-Patienten.
Aber es wird sicher auch seinen Weg auf dem noch viel größeren Markt der Hirnleistungssteigerung von Gesunden finden.
Eine weitere Neuheit sind Substanzen zur Erhöhung der intrazellulären Menge an Creb. Die in der von Kandel gegründeten Firma »Memory Pharmaceuticals« in New Jersey entwickelten Moleküle Mem1414 oder Mem1917 sind bereits in ersten klinischen Studien bei Alzheimer getestet. Diese Stoffe wirken nicht mehr im synaptischen Spalt, sondern in den Nervenzellen selbst.
Fernab von Fragen nach dem Sinn der künstlichen Hirnleistungssteigerung beim Gesunden und unabhängig von neuroethischen Aspekten ist heute völlig offen, wie sich diese »Behandlung« denn auf Dauer auswirkt. Daten zur längerfristigen Anwendung solcher Gedächtnisverstärker liegen jedenfalls kaum vor.
Denkt man an die komplexe Biochemie in unserem Gehirn, ist zu erwarten, dass das Überschwemmen des gesunden Gehirns mit Pharmaka Folgen haben wird. Denn: Biochemische Wechselwirkungen zwischen Nervenzellen sind
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