Gehoere ich halt nicht dazu
mit der Schlangenphobie läuft mir nach.
„Sie haben ihr Geld vergessen“, sagt sie.
„Danke“, sage ich. „Ich wollte nur die Tasse bezahlen.“
„Und sie haben vergessen, mir Ihre Telefonnummer zu g e ben“, sagt sie.
Ich bin perplex.
„Ich habe gerade nichts zu schreiben“, stottere ich.
Sie hält mir einen Kugelschreiber hin. Ich schreibe auf den Geldschein meine Nummer, zumindest hoffe ich, dass das meine Nummer ist.
„Jolanda heiße ich“, sagt sie, nimmt das Geld und verschwi n det wieder zurück in die Frigo-Welt.
Ich schaue ihr nach. Sie ist bestimmt ein Trampel. Schlangen-Angst. Wie kann man nur so vertrottelt sein?
An meiner Wohnungstür hängt eine Nachricht. „Das Begräbnis ist am Samstag um zehn Uhr am Zentralfriedhof. Schaust du am Abend kurz bei mir vorbei oder rufst du mich an? Fred.“ Und seine Nu m mer steht auch da.
Ich mache mich auf die Suche nach meinem Handy und schalte es ein. Aber ich habe keine Lust, Frederick anzurufen. I m merhin ist es erst kurz vor neun am Vormittag. Der Tag ist noch lange.
Ich schalte den C omputer an. P itpuff69 ist online. Das freut mich. Vielleicht, so denke ich, sollte ich ihn bes u chen und in echt kennen lernen.
„Wo bist du?“, haue ich in die Tasten, und pitpuff69 antwo r tet sofort: „Hier bin ich. online“.
„Ich meine im wirklichen Leben. Wo bist du?“ frage ich leicht genervt.
„Wir sind im wirklichen Leben“, antwortet pitpuff69. Seine Worte erschrecken mich beinahe ein w e nig. Das w-i-r-k-l-i-c-h-e Leben. Das klingt schon sehr hart. Das lässt keinerlei Ausflüchte zu. Kein Traum, kein Testlauf, kein Rausch, kein Buch. Das wirkliche Leben ist einf ach nur echt. Und ich habe nur e ines. So wie alle anderen auch. Da muss ich doch erschr e cken.
Für einen Moment fühle ich mich von Sehnsucht umflo s sen. Von Sehnsucht nach Liebe. Ich denke dabei an pitpuff69 aus der Cyber-Welt und an Jolanda aus der Frigo-Welt. Jolanda hat ein Gesicht. Und einen Arsch und Titten. Ich steige grußlos aus dem Gespräch mit pitpuff69 aus und fahre den Computer herunter. Ich hätte Lust, nochmals zur Bäckerei zu spazieren und beim Fenster hineinzuschauen. Aber das trau ich mich nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob sie mir gefallen hat, die J o landa, ich denke schon. Es war ein eigenartiges Gefühl wie sie mir ins Ohr geflüstert hat. Irgendwie schön. I r gendwie vertraut. Ich finde es komisch, dass ich Jolanda noch nie wahrgenommen habe. Ich war mindestens schon tausend Mal in dieser Bäckerei. Hab Brot gekauft, Süßes gegessen, Kaffee getrunken. Aber nie hat mich dort wer um meine Telefo n nummer gefragt.
Ich kenne mich nicht mehr aus mit meinen Gefühlen und würde gerne einen Einheimischen der Liebe um Rat fr a gen.
„Tschuldigung“, würde ich dann sagen. „Ich fürchte , ich habe mich verlaufen. Wissen Sie vielleicht, wo ich geliebt werden kann?
„Ja. Ich war schon mal dort. Aber das ist lange her. Ich kann mich nicht mehr so recht erinnern.“
...
„Nein. Groß war es nicht. Eher lieblich und still. Leider habe ich mir den Weg dorthin nicht notiert.“
...
„Oh. Abgerissen sagen Sie? Das ist aber ein Jammer.“
...
„Aha. Was Neues in der Art soll ich suchen? Naja. Ich weiß nicht so recht. Wo denn?“
...
„Wo finde ich den richtigen Platz eher? In der Wirklic h keit oder im Traum?“
...
„In der Online-Welt soll ich schauen, meinen Sie? Das wäre ein wenig von beidem? Naja. Ich weiß nicht recht, ob ich das will.“
Der Einheimische der Liebe geht weiter und lässt mich ratlos stehen. Arschloch. Einheimisches.
Es läutet das Telefon.
„Entschuldigung. Ich wollte bloß mit Ihnen sprechen“, sagt Jolanda, die Frigo-Kellnerin mit zerbrechlich wirkender Sti m me. Ich weiß sofort, dass sie es ist.
„Worüber möchten Sie denn sprechen ? “, frage ich und bin überrascht über ihren Anruf.
„Ich weiß nicht recht“, antwortet Jolanda und ergänzt nach einer kurzen Pause: „Ich war neugierig, ob Sie mir die richtige Nummer gegeben haben.“ Sie m acht eine Pause. Dann sagt sie: „Möchten Sie mir vielleicht etwas erzählen? Das wäre mir am Allerliebsten.“
S o sind sie die Mösen, denke ich. Aber ich lüge (vielleicht lüge ich auch nicht, ich bin mir nicht sicher) und sage: „Gerne. Aber ich möchte Sie sehen, wenn ich Ihnen von meinem Großv a ter erzähle.“
„Wie soll das gehen“, fragt Jolanda. „Ich habe jetzt nur eine kurze Pause, dann muss ich weiterarbe i ten. Da darf ich nicht zu
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