Geht das denn schon wieder los?
Kekse wollte Katja nicht, sonst bliebe im Magen ja kein Platz fürs Abendessen, das sie allerdings ein paar Straßen weiter einzunehmen gedachte – nicht wegen der Geschwisterliebe, sondern wegen Tim. Sie war regelrecht vernarrt in ihren kleinen Neffen, schleppte ständig irgendetwas für ihn an, mal ein Kuscheltier, dann wieder einen Minipullover oder winzige Ringelsocken, diesmal war’s irgendwas zum späteren Krachmachen – Nicki befürchtete schon eine Identitätskrise. »Wenn das so weitergeht, dann hat Timmi zwei Mütter und wird das auch noch als völlig normal empfinden. Aber
ich
nicht!«
Durchaus verständlich! Es lag zwar in der Natur der Sache, dass Katja den Vorsprung ihrer Schwester nicht mehr einholen, jedoch vielleicht auf andere Weise wettmachen konnte – Zwillingsgeburten sollen ja erblich sein!
»So richtig weiß ich auch nicht, warum sich unser Taucher-Stammtisch aufgelöst hat.« Wieder mal begann sie die ausführliche Begründung aller geplanten Festivitäten irgendwo bei Adam und Eva, diese epische Breite haben Lehrer aber so an sich, »wir wurden bloß von Monat zu Monat weniger, und irgendwann war dann definitiv Schluss. – Ist noch Tee in der Kanne?«
»Nein! Du hattest bereits vier Tassen!«
»Na und? Man soll doch viel trinken! Muss ja nicht unbedingt Tee sein!«
»Im Keller steht Apfelsaftschorle! Treppensteigen ist gesund!«
Also fünf Minuten Unterbrechung für Getränkenachschub und Inspektion jener Schublade, in der sich seit jeher so nahrhafte Dinge befinden wie Kartoffelchips, mindestens fünf verschiedene Sorten Kekse, Schokolinsen und nicht zuletzt Kinderschokolade, die nach meiner Erfahrung von Erwachsenen mehr geschätzt wird als von Kindern.
»Du hast ja nicht mal mehr Gummibärchen«, tadelte Katja, das ganze Schubfach durchwühlend, »früher waren hier immer welche drin!«
»Du wirst nächstes Jahr dreißig und Tim hat noch keine Zähne! Denk lieber an deine Taille! Zucker macht dick, und die Auswahl an Brautkleidern verringert sich ab Größe vierundvierzig um etwa die Hälfte! Setz dich endlich hin, und kläre mich auf, weshalb ihr doppelhochzeitet! Ist das billiger?«
»Keine Ahnung, vielleicht auf’m Standesamt, weil der Beamte den ganzen Sermon nur einmal runterbeten muss!« Mit zwei Schokoriegeln in der Hand und auf dem steinharten, weil von Weihnachten übrig gebliebenen Marzipannikolaus kauend kam sie an den Tisch zurück. »Der schmeckt schon richtig antik!« Dann hielt sie erschrocken inne. »Du hattest ihn doch nicht etwa aus einem bestimmten Grund aufgehoben?«
»Doch! Im Oktober wollte ich versuchen, ob ich ihn klonen kann. Dann wären nämlich die bunten Teller unterm Weihnachtsbaum erheblich billiger!«
Katja nickte verstehend. »Seitdem ich weiß, wie viel Geld man schon für Strampelhöschen hinblättern muss, ist mir sowieso rätselhaft, wie ihr es geschafft habt, uns fünf großzuziehen.«
»Ab drei Jahren wird Kinderkleidung preiswerter«, beruhigte ich sie, »und Fünflinge sind relativ selten.«
»Das hoffe ich!«, kam es sofort zurück. »Und überhaupt ist das noch gar kein Thema! Wo war ich eigentlich stehen geblieben?«
»Immer noch beim Anfang!«
»Ach so. Also wir Stammtischler hatten uns schließlich aus den Augen verloren. Margit dolmetschte monatelang nur noch in Stuttgart, nachdem sie endlich diesen blöden Jürgen in die Pampa geschickt hatte, Schorsch war in irgendeiner Uni abhanden gekommen, Heini weggezogen, Svenja lernt als Au-pair in Paris Französisch, Hannes und Steffi hatten sich auf den Nestbau gestürzt … da lief einfach nichts mehr zusammen. Und als Tom neulich beim Abendessen erwähnte, er habe Rainer wieder getroffen, habe ich erst geglaubt, er redet von Steffis Ex, hätte ja sein können, schließlich hatte der auch mal dazugehört. War er aber nicht, sondern ein Freund von Tom vom Zivildienst her oder so was, jedenfalls hatten sie sich wohl lange nicht gesehen. Ob das nun ein Zufall gewesen ist oder Bestimmung oder was weiß ich … auf jeden Fall ist
dieser
Rainer ausgerechnet mit
unserer
Margit verlobt und will sie im Juli heiraten.«
»Und der hat jetzt Tom infiziert?« Immerhin war dessen Abneigung gegen die Ehe im Allgemeinen und gegen die eigene im Besonderen hinreichend bekannt, und sogar Katja hatte sich inzwischen damit abgefunden, für ihre Altersversorgung allein aufkommen zu müssen.
»Also wenn du jetzt glaubst, Tom hätte mir einen offiziellen Antrag gemacht mit Kniefall und
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