Geht das denn schon wieder los?
Rosenstrauß, dann muss ich dich enttäuschen«, dämpfte sie meine zugegebenermaßen etwas antiquierte Vorstellung eines Heiratsantrags, »er hatte nur gemeint, wir würden doch aller Voraussicht nach auch weiterhin zusammenbleiben, und dann hätte eine amtlich beurkundete Eheschließung mit Unterschrift und Stempel eine ganze Menge steuerlicher Vorteile für uns beide. Rainer hat ihm das wohl mal auseinander klamüsert.«
Na ja, es soll schon weniger stichhaltige Gründe für eine Hochzeit gegeben haben, und wer immer noch den Himmel auf Erden sucht, der hat sowieso im Geografieunterricht geschlafen! »Sollte ich jetzt eine Flasche Sekt aufmachen?«
»Nee, warum denn?« Katja war sichtlich verblüfft. »Es steht doch schon seit ein paar Wochen fest, dass wir am 31. Juli heiraten. Wir haben sogar schon die Ringe bestellt!«
»Tatsächlich? Ich war immer der Meinung, die bekommt man bereits zur Verlobung.«
Jetzt staunte sie wirklich. »Verlobung? Wer macht denn heute noch so was?«
Natürlich! Wie konnte ich das nur vergessen! Es gibt ja auch keinen Heiratsantrag mehr, man beschließt lediglich, künftig eine gemeinsame Steuererklärung abzugeben und informiert das Finanzamt noch vor den Eltern.
Muss wohl auch daran liegen, dass heutzutage niemand mehr »Nesthäkchen« liest, meine bevorzugte Lektüre zwischen acht und elf Jahren, bevor ich dann doch mit fliegenden Fahnen zu Karl May übergelaufen bin.
Die zehn Nesthäkchen-Bände – noch in altdeutscher Schrift! – hatte ich von meiner Mutter geerbt, woran unschwer zu ersehen ist, dass jene Annemarie wohl nicht mehr so ganz trendy sein kann. In Band sechs oder sieben hatte sie sich nämlich richtig verlobt mit Antrag und Ring und beinahe zu Tränen gerührten Eltern, die ihrer achtzehnjährigen Tochter einen Kuss auf die Stirn gehaucht hatten! Jawohl, gehaucht! Zwar wusste ich damals nicht so ganz genau, wie das funktionieren sollte, aber ich hatte das alles als sehr romantisch und stilvoll empfunden und etwas Ähnliches in ferner Zukunft natürlich auch für mich erwartet, nur ist die Sache anderthalb Jahrzehnte später weitaus profaner abgelaufen, nämlich in der Warteschlange vor einer Autowaschanlage. Seinerzeit hatte es noch keine dieser vollautomatischen Waschstraßen gegeben, in denen man einfach im Auto sitzen bleiben kann und sich vorübergehend vorkommt wie in einem Tropenregen, sondern man musste den Wagen in eine gekachelte Halle fahren und ihn dann verlassen.
Plötzlich fehlte die schützende Blechumhüllung und mit ihr die nötige Intimität, Rolf hatte bei der Suche nach Münzen für den Geldschlitz ohnehin schon den Faden verloren, aber endgültig gerissen ist er, als der hinter uns wartende Autofahrer meinem schon Beinahe-Bräutigam auf die Schulter tippte: »Sie haben das Fenster auf der Beifahrerseite nicht zugemacht!«
Wenn ich jetzt darüber nachdenke, bin ich mir gar nicht mehr sicher, ob die entscheidende Frage an jenem Tag überhaupt noch gefallen ist. Den Rest der Fahrt musste ich nämlich auf dem Rücksitz verbringen, vorne war’s ziemlich nass geworden.
Warum also erwartete ich von unserer Tochter romantische Gedanken statt Pragmatik?
Die obligatorische Frage nach dem Brautkleid verkniff ich mir natürlich auch, die hatte noch Zeit. Eine kirchliche Trauung würde es ohnehin nicht geben, und im Standesamt ist inzwischen so ziemlich alles erlaubt, auch nabelfrei und wenn’s denn sein muss, sogar ein mit Blüten und Schlingpflanzen behangener Bikini; das ist dann eben die Stammestracht von irgendeinem Südsee-Atoll, auf dem man im letzten Urlaub Ehren-Insulanerin geworden ist! Man muss das nur überzeugend genug rüberbringen und nach Möglichkeit einen tief gebräunten Partner präsentieren.
Nicki hatte vor zwei Jahren im Hosenanzug geheiratet – nicht außergewöhnlich, aber es war einer mit
kurzen
Hosen gewesen!
»Wir rechnen übrigens mit rund hundert Personen«, unterbrach Katja meinen Gedankensprung zur bis dato letzten Hochzeit innerhalb unserer Familie, »zusammen natürlich.«
Natürlich! Fünfzig Gäste für jedes Paar reichen ja auch. Oder nicht?
»Es sind allerdings nur deshalb so wenig, weil wir viele gemeinsame Freunde haben. Andererseits brauchst du nur mal unsere Familie zu nehmen, komplett versammelt füllt die allein schon ein halbes Zelt, dazu kommen unsere ehemaligen Studienkollegen, Bärbel, Stefan, Henri, Ulli und Ulli …«
»Ich denke, die beiden befinden sich inzwischen außerhalb eures
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