Geht das denn schon wieder los?
nicht.«
»Warum denn auch?«, sagte Sven. »Da läuft doch immer der Stadtbüttel mit seinen Strafzetteln rum, auf Dauer gesehen ist der billiger als die Reparaturkosten für aufgebrochene Parkscheinautomaten.« Dann nahm er ungerührt die Markstücke aus dem Rückgabefach und warf sie oben wieder ein. »Sorry, Paps, aber ich habe meinen Geldbeutel in der anderen Hose vergessen.«
Das Standesamt war leicht zu finden, weil mehrere Leute davor standen, offensichtlich in Warteposition und wohl dem anderen Paar zugehörig. Wir sagten höflich »Guten Tag« und »Nun ist es ja bald so weit« oder was man in solch einer Situation von sich zu geben pflegt, wenn man nicht genau weiß, wen man da eigentlich gegrüßt hat, aber dann sahen wir etwas abseits Jörg und Nicki neben dem Kinderwagen stehen, sichtlich bemüht, ihren Sohn in den Schlaf zu schaukeln. Da fiel dem Brautvater doch tatsächlich ein, dass die Familie ja gar nicht komplett sein würde. »Wieso ist Sascha nicht da, wenn seine Lieblingsschwester heiratet?«
»Weil er irgendwo in Frankreich ein dreitägiges
meeting
hat!«
»Ein was?«
»Wenn man für eine amerikanische Firma arbeitet, dann wird man nicht zu einer Konferenz beordert, sondern zu einem
meeting,
was im Grunde genommen das Gleiche ist. Es wird viel geredet, wenig gesagt, aber den meisten gelingt es trotzdem, ihre jeweiligen Vorträge so in die Länge zu ziehen, bis sie die zur Verfügung stehende Zeit ausfüllen. Im Gegensatz zu den Nächten, die zum Abbau der abendlichen Promillezufuhr meistens zu kurz sind.« Ich fand, dass ich Saschas Abwesenheit hinreichend erklärt hatte.
Rolf sagte nichts mehr, denn auch er hatte früher an Tagungen teilgenommen und hinterher sechsunddreißig Stunden gebraucht, bis sich Schlafbedürfnis und Blutalkoholspiegel wieder normalisiert hatten.
Nun warteten wir also links neben dem Eingang, denn auf der rechten Seite stand die andere Verwandtschaft. Erst später stellte sich heraus, dass Toms Vater und dessen Mutter auch schon da gewesen waren, nur hatten sie überhaupt niemanden gekannt und erst mal aus einiger Entfernung abgewartet, wer zu wem gehörte und wie sich dieser ganze Auftrieb entwickeln würde.
Opa Rolf machte killekille bei Enkel Tim, der aber mit einem unwilligen Schnauben reagierte, und Oma Evelyn machte Mama Nicole darauf aufmerksam, dass der Knopf an ihrer Jacke nur noch an zwei Fädchen hing.
»Habe ich schon gesehen. Wenn wir drin sind, ziehe ich sie gleich aus, mir ist sie sowieso zu warm.«
Und dann bogen sie endlich um die Ecke, die beiden Brautwagen, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Vorneweg der hellblaue mit offenem Verdeck natürlich und einem großen Blumengesteck auf der Kühlerhaube. Und dahinter fuhr, von amüsierten Passanten lebhaft beklatscht, der rundherum offene Jeep. Vor dem Kühler steckte ein dickes rotes Plastikherz, flankiert von zwei wollenen Schäfchen, und von der Windschutzscheibe zog sich rechts und links ein breites weißes Band schräg nach vorne und endete am Kotflügel mit riesigen Schleifen. Auch hier gab es Blumen auf dem Kühler, leuchtend gelbe sogar und überall noch bunte Luftballons. Hinten am Reserverad klebte ein rundes Kürbisgesicht aus Sackleinen und zeigte allen eine lange Nase. Auf dem erhöhten Rücksitz hatte Tom versucht, seine langen Beine irgendwie zusammenzufalten, er saß nämlich da wie auf einem gewissen Örtchen, während Katja ganz brav daneben hockte und nur bemüht war, nicht aus dem Wagen zu kippen, denn hochgezogene Seitenwände gibt’s bei einem Jeep nicht und erst recht keine Griffe zum Festhalten. Seine mögliche Zweckentfremdung als zivile Brautkutsche hatten die Konstrukteure dieses Fahrzeugtyps offensichtlich nicht in Betracht gezogen.
Ich muss ja zugeben, dass Margit mithilfe ihres Bräutigams wesentlich eleganter aus dem Auto gestiegen ist als Katja, die schließlich herausgehoben werden musste, weil sich die maßgefertigte Fußbank unter dem Beifahrersitz verklemmt hatte, aber am meisten fotografiert wurden der Jeep und sein doch reichlich unkonventionell gekleidetes Brautpaar. Tom trug zwar schwarze Hosen nebst Weste, dazu jedoch ein leuchtend blaues Hemd, ein graues Jackett und
keine Krawatte!
Stattdessen prangte zwischen drittem und viertem Hemdenknopf eine Anstecknadel in Gestalt des Uli-Stein-Raben, der in seinen Händen ein großes gelbes Schild hielt:
Dagegen!
stand drauf.
Margit sah auch viel bräutlicher aus als Katja, nämlich ganz in Weiß, das
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