Geht das denn schon wieder los?
oder wie auch immer diese kleinen Sünden umschrieben werden, einfach in sein Zelt bringen. Allah kann seine Augen ja nicht überall haben, und für uns Ungläubige ist er sowieso nicht zuständig.
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Kapitel 10
V ierter Tag – noblesse oblige!
Genau genommen fing er damit an, dass er überhaupt nicht anfing, was etwas unglaubhaft klingt, aber trotzdem stimmt. Aufgewacht war ich von einem merkwürdig sirrenden Geräusch, hatte noch im Halbschlaf die verirrte Hummel gesucht, bis mir – nunmehr richtig wach – einfiel, dass Hummeln hier eigentlich nichts zu suchen hatten. Außerdem kam das Geräusch von draußen, also musste dort ein ganzer Hummelschwarm kreisen, und so was tun Hummeln nicht.
Ich stieg von meinem Thronbett herunter, schob den Vorhang etwas zur Seite und – sah nichts! Ein fahles gelbes Nichts.
Nun bin ich zwar kein besonders mutiger, aber zumindest ein sehr realistischer Mensch, und als solcher war mir klar, dass dieses sirrende Geräusch etwas mit dem gelben Nichts zu tun haben musste. Es sirrte nämlich immer noch, und es waren keine Hummeln und auch keine Heuschrecken, die sirren anders, außerdem kann man sie als solche erkennen (Geographie-Unterricht 8. Klasse, Landwirtschaft in Afrika, größte Plage Wanderheuschrecken oder so ähnlich, wir hatten solch ein Vieh sogar abzeichnen müssen). Also schob ich ganz vorsichtig die Glastür einen Spalt auf, hielt meine Hand hinaus, spürte nadelfeine Stiche und machte die Tür ganz schnell wieder zu. »Su-san-ne!«
»Is was?«, tönte es vom Bett her – immerhin bemerkenswert, dass sie schon beim ersten Mal reagierte; offenbar hatte sie inzwischen ihr Schlafdefizit aufgeholt.
»Ich weiß nicht, was hier draußen los ist, aber könnte es sein, dass uns jemand auf den Mars gebeamt hat? Der Mond isses nicht, der sieht auf den Fotos viel wohnlicher aus!«
»Was kannst du denn sehen?«
»Nichts! Bloß hören. Das ist ja das Merkwürdige!«
Nun war sie doch neugierig geworden, aber ein Blick aus der Tür ließ sie zurück ins Bett klettern. »Das ist bloß ein Sandsturm, da muss man nur abwarten, bis er vorbei ist.«
»Woher weißt du das?«
»Weil ich mal einen in Nordafrika erlebt habe.«
»Und wie lange dauert so was?«
»Unterschiedlich …«
Ich liebe diese präzisen Auskünfte! Andererseits war ich ja doch beruhigt, dass wir uns immer noch auf der Erde befanden, auch wenn nichts mehr von ihr zu sehen war. Im selben Moment klingelte das Telefon, und Steffi wollte wissen, ob unser Zelt noch steht, wir hätten nämlich einen Sandsturm, und ob wir von unseren beiden Zahnpastatuben eine entbehren könnten. »Hannes ist gestern Abend auf unsere draufgetreten. Frag mich nicht, wie er das geschafft hat, jedenfalls habe ich eine halbe Rolle Klopapier gebraucht, bis ich das Zeug von den Fliesen runterhatte.«
Zwanzig Minuten später war der ganze Spuk vorbei, doch danach war nichts mehr so, wie es hätte sein sollen – vieles war einfach verschwunden! Die gepflasterten Wege zum Beispiel, die Treppchen, die kleinen Steinwälle, mit denen jede einzelne Palme eingegrenzt war, direkt neben dem großen Pool lag sogar ein umgestürzter, entwurzelter Baum – und alles war zentimeterhoch mit Sand bedeckt.
Doch schon setzte sich vom Haupthaus her eine mit Schaufeln und Besen bewaffnete Kolonne von Hilfskräften in Marsch, verteilte sich und begann mit dem Ausgraben. Offenbar hatte man von den Handwerkern über die Gärtner, Techniker und Service-Leute bis hin zu den Köchen und Küchenhilfen alles abgestellt, was dem Hotel-Management entbehrlich schien. Sogar der dicke Barkeeper war zum Schippen angetreten.
Erinnerungen an meine Berliner Kindheit wurden wach, wenn wir nach der Entwarnung aus den Luftschutzkellern nach oben kamen und aufatmend feststellten, dass die Häuser noch standen, lediglich ein paar Fensterscheiben zu Bruch gegangen waren und sich von Schillers Gesammelten Werken im Regal ein Band selbstständig gemacht und Omis Kristallvase zerlegt hatte – wir mussten bloß die Scherben zusammenfegen.
Dieser Auffassung schienen auch Salima und Asmaha zu sein, die wie üblich an der jetzt nur noch in ihren Umrissen erkennbaren Treppe auf uns warteten, heute jedoch mit zwei Besen hantierten und uns bedeuteten, stehen zu bleiben, bis sie auch das letzte Sandkorn von den Stufen beseitigt hätten, auf dass wir sauberen Fußes hinaufschreiten könnten. Da wurde es Hannes zu dumm. Gewohnt, gelegentlich den Parkplatz vor der Firma
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