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Geht das denn schon wieder los?

Geht das denn schon wieder los?

Titel: Geht das denn schon wieder los? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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bisschen dem sommerlichen Grillfest des Faschingsvereins oder dem des örtlichen Kandidaten vier Wochen vor der Kreistagswahl.
    Im ersten Zelt war die Küche untergebracht – bestehend aus modernen Propangasherden, riesigen mit Rollen versehenen Kühlschränken und -kisten, weitere Schränke enthielten Geschirr, Besteck, Gläser, und beleuchtet wurde das Ganze von großen gasbetriebenen Fackeln. Ungefähr ein Dutzend weiß gekleidete Männer liefen wie die Ameisen hintereinander her, holten aus den Kisten gefüllte Schüsseln, luden sie auf den im Vordergrund aufgereihten weißen Tischen ab, schwenkten zurück zu den Kisten, trabten mit neuen Schüsseln an … sie müssen das irgendwann mal gründlich geübt haben, denn sie kamen sich nie gegenseitig ins Gehege. Drei Köche mit unterschiedlich hohen Mützen hatten sich neben den drei Herden postiert und musterten uns, die wir etwas verloren herumstanden, mit unbewegten Mienen.
    Schließlich kam Greg – wer sonst? – und brachte uns zu dem zweiten Zelt, das meinen Vorstellungen vom Orient auch nicht gerecht wurde. Man hat ja bei solchen Gelegenheiten immer ein bestimmtes Bild vor sich, und meins orientierte sich mangels echter Anschauungsobjekte an Hollywoodfilmen, angefangen bei »Ben Hur« und endend bei »Krieg und Frieden«; dort hatten militärische oder konspirative Beratungen meist in komfortablen runden Zelten mit edlem Ambiente stattgefunden, und die hatten so gar keine Ähnlichkeit gehabt mit jenem, vor dem wir jetzt standen.
    Man stelle sich eine riesige schwarze Wolldecke vor, die von drei Seiten ein gedachtes großes Rechteck umspannt; diese Decke wird von im Boden steckenden Holzpfählen gehalten, genau wie die zweite Wolldecke, die in etwa drei Meter Höhe das Dach bildet. Die vierte Seite bleibt offen. Dass die Wände nicht straff gespannt sind und das Dach etwas durchhängt, trägt nicht unbedingt zur Verschönerung dieser Behausung bei.
    »Und dafür bin ich vorhin zwanzig Minuten lang vor dem Spiegel auf und ab paradiert, weil ich nicht wusste, was ich anziehen soll!«, räsonierte Steffi beim Anblick dieses
dining-rooms.
»Scheich ist doch hier so was Ähnliches wie Fürst in Europa, und da geht man ja auch nicht in Alltagskluft hin, oder? Adel verpflichtet, selbst wenn man nur als Besucher kommt.«
    »Weiß ich nicht, ich war noch nie bei Fürstens eingeladen!« Dabei war es mir so ähnlich ergangen wie Stefanie, und hätte mich nicht Susanne davon abgehalten, dann würde ich jetzt – als Einzige! – in langen weißen Hosen herumlaufen. Jeans waren zweifellos zweckmäßiger, denn die erwarteten Teppiche gab es zwar, nur betrat man sie ja mit Straßenschuhen, und die »dicken Sitzkissen« entpuppten sich als kleine quadratische Stuhlkissen, wie sie kälteempfindliche Großmütter auf den Kinderspielplatz mitnehmen oder nach Jagsthausen zur Freilichtaufführung des
Götz von Berlichingen
.
    Beeindruckend allerdings die beiden festlich gedeckten, niedrigen Tische. Es glitzerte und funkelte nur so von auf Hochglanz poliertem Besteck und der Phalanx verschiedener Gläser vor jedem Platz. Sparsam verteilte Kerzen sorgten für angenehmes Dämmerlicht, erschwerte allerdings auch die Identifizierung dessen, was man uns auf die Teller packen würde.
    Vor die Wahl gestellt – Alter vor Schönheit! – entschied ich mich für den Platz am Kopfende, denn mir war sofort klar geworden, dass die orientalischen Tischsitten mit meinen an europäische Stühle gewöhnten Gliedmaßen nicht vereinbar sein würden. Ganz oben am Tisch würde ich jedoch keine direkten Nachbarn haben, könnte die Beine also beliebig nach rechts oder links ausstrecken und käme niemandem in die Quere. Die korrekte Haltung beim Essen auf Zwergenebene lernten wir aber doch noch von Susanne: Runter auf die Knie, Füße nach hinten gestreckt, das Hinterteil ruht auf den Fersen … Sie selbst hielt am längsten durch, und das waren immerhin vierzehn Minuten! Im Übrigen sollte man diese Körperhaltung ins allgemeine Trainingsprogramm der Fitnessstudios aufnehmen – fernöstliche Reiseziele werden bekanntlich immer beliebter!
    Allmählich füllte sich das Zelt. Nicht nur mit den uns zumindest vom Sehen bekannten Personen, sondern auch mit einigen völlig fremden. Neben Susanne hatte ein mindestens doppelt so alter Inder Platz genommen, der eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Mahatma Gandhi hatte, fließend Englisch sprach und sie den halben Abend nicht mehr aus den Augen ließ.

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