Geht's noch?
ihnen vertreiben sollte.
Sie atmete schnaufend aus, zweifellos erleichtert darüber, dass er ihr nicht länger böse war. »Und was hat den Sinneswandel bewirkt und für diese Erkenntnis gesorgt?«
»Du.« Eine widerspenstige Locke fiel ihr in die Stirn, und er legte sie mit einer Hand zurück, wobei er es sich nicht verkneifen konnte, ihr in einer zärtlichen Geste mit der Handfläche über die Haare zu fahren. »Von deiner Persönlichkeit her bist du eigentlich gar keine Heimlichtuerin, die andere Leute manipuliert. Ein wenig Zeit allein hier oben, niemand, der mich nervt, ein anständiges Training und ein Whirlpool und schon war ich so weit wiederhergestellt, dass ich mich daran erinnerte.«
»Whow! Jetzt auch noch Komplimente.« Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem frechen Grinsen. »Du
hast mir nicht nur verziehen, du wirkst auch ziemlich locker.«
»Na, dir scheint es aber auch ganz gut zu gehen. Dürftest dich also selbst recht entspannt fühlen.«
»Hab ich nicht, tu ich aber jetzt«, sagte sie.
Er hoffte, dass seine Versöhnungsbereitschaft die Ursache dafür war, wusste es aber nicht genau und hob deshalb fragend eine Augenbraue. »Und was ist jetzt auf einmal so anders?«
»Zum einen deine ruhigere Haltung.«
»Und zum anderen?«, fragte er.
Sie zuckte neckisch mit der Schulter. »Darf ein Mädchen vielleicht keine Geheimnisse haben?« Sie biss sich auf die Unterlippe.
Sein Blick folgte ihrer Reaktion und blieb auf ihrem sinnlichen Mund liegen. Sieh einer an, sie spielte das scheue Mädchen. Fräulein Nur-Business begann plötzlich zu flirten, dachte er amüsiert. Hmm. Na ja, er hatte ganz bestimmt nichts dagegen.
Sie war einer der großen Pluspunkte seines Rückzugs in die Abgeschiedenheit. »Ich bin heute ein wenig herumgeschlendert und habe einen erstaunlichen Ort entdeckt. Möchtest du ihn mal sehen?«, fragte er.
Sie drehte sich nach ihrer Gastgeberin um, die offenbar mit dem Drummer ziemlich beschäftigt war. »Ich glaube nicht, dass sie uns vermissen werden«, sagte sie mit einem schelmischen Leuchten in den Augen.
»Komm.« Er nahm ihre Hand und gemeinsam durchquerten
sie die zentrale Lobby der Lodge, wo die Leute allein oder in kleinen Gruppen umherliefen, während andere sich vor dem großen Fernsehbildschirm an der Bar versammelt hatten.
»Möchtest du erst kurz anhalten und etwas trinken? « Er deutete auf zwei freie Stühle an einem Nischentisch.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich behalte heute Abend lieber einen klaren Kopf. Keinen Drink. Aber danke für das Angebot.«
Er verneigte sich kurz und ging weiter. Normalerweise hätte er ihre Ablehnung eines Drinks als ihre Art gedeutet, ihn daran zu erinnern, sich weiterhin allein aufs Geschäftliche zu konzentrieren, aber irgendetwas an ihr war heute Abend anders. Nicht ihre aufgekratzte Stimmung und ihr neckischer Ton. Sie war anders. Sie hatte ihre Hand nicht seinem Griff entzogen, und unvermittelt strahlte sie eine unkomplizierte Lockerheit aus, die er zuletzt an ihr auf der Hochzeit erlebt hatte, als sie noch keine gemeinsame Geschichte und keine gegenseitigen Erwartungen verbanden. Was auch immer die Veränderung bewirkt haben mochte, er freute sich darüber. Und er verspürte die plötzliche Hoffnung, dass ihre Unlust zu einem Drink weniger mit einer Reserviertheit ihm gegenüber zu tun hatte als vielmehr mit ihrem Wunsch, jede einzelne Minute zwischen ihnen genau in Erinnerung zu behalten.
Er führte sie an dem Geschenke- und Krimskramsladen vorbei zu einer Stelle noch hinter dem letzten
Restaurant. Als er vor einer Weile seinen Frust durch Herumlaufen abreagiert hatte, war er an einem vollverglasten Raum vorbeigekommen, der gerade gereinigt wurde. Er hatte sich hineingeschlichen und in eine traumhafte Winterlandschaft geblickt. Es war ein Ort, an dem er eine stille, nachdenkliche Stunde verbracht hatte.
Die Tür war geschlossen, und er klopfte einmal. Als niemand antwortete, drückte er sie auf und führte sie hinein. Statt das Licht einzuschalten, ließ er den Raum im Dunkeln, und als die Tür wieder ins Schloss fiel, verriegelte er sie unbemerkt, so dass sie völlig ungestört sein würden.
»Was ist das für ein Zimmer?«, fragte sie.
»Ein großer Wintergarten«, sagte er. »Ich habe Lisa danach gefragt, und sie meinte, dass er gewöhnlich nur während des Sommers benutzt würde. Aber als ich vorbeikam, war gerade eine Putzkolonne darin, und da hab ich hineingeschielt.« Er hatte durch die bodentiefe Glasfront die
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