Geht's noch?
»Ich meinte doch nicht wichtig als Mandant. Ich hab doch gesehen, wie du ihn angesehen hast. Nicht jetzt eben, was auch schon mächtig eindringlich gewesen war, sondern vorher beim Whirlpool. Es hat dir gar nicht gefallen, dass er sich da mit mir alleine herumtrieb.«
»Ich …« Amy öffnete ihren Mund und schloss ihn dann wieder. Sie dachte daran, die Vermutung der anderen Frau abzustreiten, aber was sollte das alberne Theater? »War es wirklich so offensichtlich?«, fragte sie stattdessen.
Hannah nickte. »Ich fürchte schon.«
»Es war jedenfalls nicht persönlich gemeint.« Vor Verlegenheit, so leicht durchschaubar zu sein, hob Amy
die Hände an ihre heißen Wangen. Und dabei bildete sie sich ein, völlig professionell aufgetreten zu sein.
»Weiß ich doch.« Hannah wischte Amys Bedenken mit einer Handbewegung fort. »Willst du auch wissen, warum? Ich meine, kann ich dir ein Geheimnis anvertrauen, damit du es verstehst?«
»Absolut«, sagte Amy.
»Ich habe es gemerkt, weil ich mit Mike in derselben Situation stecke.« Sie neigte ihren Kopf in Richtung des Drummers, der noch immer auf Roper einredete. »Ich bin total in ihn verknallt«, erklärte sie seufzend. »Wir verbringen beim Touren so viel Zeit miteinander, wir kennen uns so gut, und ich weiß auch, dass er mich attraktiv findet, ich seh ja, wie er mich ansieht, aber er unternimmt einfach nichts.«
»Warum nicht?« Amy warf einen verstohlenen Blick auf den großen Mann, der aussah, als wüsste er schon mit Frauen – mit dieser oder jeder anderen – umzugehen.
»Er behauptet, er will die Chemie in der Band nicht gefährden für den Fall, dass etwas schiefläuft, aber das ist es gar nicht.« Hannah warf ihre Haare aus dem Gesicht. »Es liegt am Altersunterschied. Zehn Jahre trennen uns. Ihm macht das etwas aus, mir nicht. Der Altersunterschied und Big Mama.«
»Wer?« Amy versuchte nicht zu lachen, als sie den Namen hörte.
»Meine Mutter«, sagte Hannah und rümpfte die Nase. »Und zugleich die Bandmanagerin, von der ich dir
eben erzählt habe. Ich glaube, Mike hat Angst vor ihr«, fügte Hannah flüsternd hinzu. »Zugeben würde er das aber nie.«
Amy verstand Hannahs Lage. Nicht dass sie in Roper total verknallt wäre, aber die verdammte Anziehungskraft existierte und sie war stark. Doch Amy wollte nicht, dass die Sache ihr bei der Erledigung ihrer Arbeit in die Quere kam. Und sie wollte auch nicht, dass ihr Privatleben in die Öffentlichkeit geriet. Dennoch konnte sie weder leugnen, wie sehr sie ihn begehrte, noch die Tatsache, dass ihre Gefühle nicht nachlassen wollten.
Vielleicht sollte sie einfach mit ihm schlafen, es aus dem Kopf bekommen, dann hätte sie es hinter sich, dachte sie sarkastisch.
Und dann fragte sie sich, warum eigentlich nicht?
Die Idee war ihr zwar ganz spontan gekommen, aber das wechselseitige Verlangen zwischen ihnen hatte sich aufgebaut, seit sie sich auf der Hochzeit begegnet waren, und während ihrer Zusammenarbeit war es nur noch stärker geworden. Sie schluckte schwer und sah in seine Richtung. Sie nahm seine markante Ausstrahlung wahr, seinen verführerischen Körper, seine schön geschnittenen Gesichtszüge, und plötzlich konnte sie an nichts anderes mehr denken.
»Was hältst du davon?«, fragte Hannah gerade und lenkte Amys Aufmerksamkeit wieder zu ihrer Unterhaltung zurück.
»Wovon?« Sie hatte offensichtlich nichts von dem mitbekommen, was die andere Frau ihr erzählt hatte.
Hannah erkannte, was Amy so abgelenkt hatte, und verdrehte die Augen. »Ich habe gesagt, ich würde mir überlegen, Mike ganz einfach zu verführen. Ich schlüpfe in sein Bett und zwinge ihn, mich rauszuwerfen. « Sie lachte, aber Amy konnte sehen, dass Hannah es ernst meinte.
»Keine schlechte Idee«, sagte Amy und fragte sich, ob sie selbst ebenfalls zu einer solchen Aktion fähig sein würde.
»Das sage ich mir auch die ganze Zeit. Wir sind hier, wir sind allein, einmal abgesehen von den Zwillingen, aber die interessieren sich nur für ihre Musik, und es gibt keine Big Mama, die sich einmischen könnte.« Hannahs Augen leuchteten erwartungsvoll angesichts ihres Plans.
»Mir gefällt’s«, sagte Amy, deren Kopf sich mittlerweile bereits damit beschäftigte, wie sie selbst es anstellen könnte.
»Und was Big Mama betrifft, ich habe schon darüber nachgedacht, mir eine andere Managerin zu nehmen und der Familienwirtschaft ein Ende zu bereiten, aber sie meint es ja im Grunde nur gut. Sie hat uns ständig Dampf gemacht und
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